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Deshalb haben feministische Aktivisten auf eine IS-Flagge gekackt und menstruiert

Femen-Gründerin Irina Shevchenko erklärt uns, warum sie es für die einzig richtige Antwort an die ISIS hält, auf sie zu scheißen.

Letzten Samstag postete die ägyptische Aktivistin und Bloggerin Aliaa Magda Elmahdi ein Bild auf ihrem Facebook-Profil, auf dem sie und eine andere unbekannte Aktivistin unbekleidet auf eine Flagge des islamischen Staates kacken und menstruieren. Elmahdi ist der Kamera zugewandt und starrt dich unnachgiebig an, ihre blutverschmierte Vagina befindet sich dabei nur Zentimeter über der beschmutzten Flagge. Von der anderen Frau sehen wir nur den Rücken—sie trägt dazu einen Hidschab und streckt den Mittelfinger in die Luft. Auf dem Boden hinter den Beiden sind zwei Maschinengewehre sichtbar.

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Noch am selben Tag wurde das Bild der 23-jährigen Aktivistin von Inna Schewtschenko auf Twitter weiterverbreitet—sie ist die Gründerin der kontroversen Feministinnen-Gruppierung FEMEN, welche bekannt ist für die Oben-Ohne-Proteste gegen Prostitution und religiöse Unterdrückung von Frauen. Das FEMEN-Logo—zwei Kreise mit einer Trennlinie, die symbolisch für nackte Brüste stehen—ist unter dem Hidschab auf den Rücken der Aktivistin gemalt, direkt über den Buchstaben I und S. Am Dienstag hat Schewtschenko mit einem Statement in der Zeitschrift Paris Match bestätigt, dass die Aktion in der Tat ein im Namen von FEMEN stattfindender Protest ist.
Schewtschenko, eine aus der Ukraine stammende und jetzt in Paris lebende Aktivistin, sagte Paris Match, dass sie es als „heuchlerisch“ ansieht, wenn man das Bild im Anbetracht der schlimmen Taten des Islamisches Staates als heftig bezeichnet.

„Wir haben vor der Kritik an unserer Antwort keine Angst“, sagte sie. „Wir drohen nicht damit, jemanden zu töten. Wir wollten damit nur zeigen, was mit Ideen geschieht.“
Elmahdi lebt seit März 2012 im schwedischen Exil und ist wohl am meisten für ein Nacktbild bekannt, das sie damals 2011 auf ihren Blog hochgeladen hat. Mit diesem wollte sie gegen die um sich greifende Frauenfeindlichkeit und den Sexismus im Ägypten nach Mubarak und dem Arabischen Frühling protestieren. Auf dem Bild ist sie zu sehen, wie sie nichts weiter als Strümpfe, rote Ballerinas und eine Schleife im Haar trägt. In Ägypten hat sie damit für einen beispiellosen Eklat gesorgt.

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In den darauffolgenden Wochen wurde Elmahdi, jetzt auch als „The Naked Blogger“ bekannt, eine Menge Aufmerksamkeit der internationalen Presse zuteil. Sie erhielt aber auch Todesdrohungen und wurde scharf kritisiert—sowohl von religiösen Konservativen als auch von den eher säkularen Liberalen des Landes, die befürchteten, dass ihnen das Foto bei den damals anstehenden Wahlen nach der Herrschaft Mubaraks schaden könnte.

Elmahdi sollte jetzt also an hasserfüllte Kommentare und Gewaltandrohungen gewöhnt sein. 2012 ist sie FEMEN beigetreten und hat sich seitdem an mehreren anderen Protesten beteiligt. Im gleichen Jahr noch posierte sie zusammen Schewtschenko und einer weiteren FEMEN-Aktivistin nackt vor der ägyptischen Botschaft in Stockholm—hinter ihnen war eine ägyptische Flagge aufgehängt und auf ihre unbekleideten Körper hatten sie die Botschaft „Sharia is not a Constitution“ geschrieben. Es ist jedoch zu erwarten, dass der Aufschrei bezüglich ihrer aktuellen Aktion alles bisher da gewesene übertreffen wird.

Elmahdi weigert sich, mit den Medien zu sprechen, also baten wir Schewtschenko darum, uns ein paar Fragen zu dem Bild zu beantworten.

VICE News: Warum habt ihr euch dazu entschieden, dieses Bild online zu veröffentlichten und nicht auf die Straße zu gehen, wie es sonst meistens bei FEMEN üblich ist?
Schewtschenko: Dieses Mal haben wir eine fotografische Botschaft gewählt, weil wir eine passende Antwort auf die letzte Videobotschaft des IS geben wollten, bei der die Hinrichtung des Journalisten James Foley gezeigt wird. Durch das Foto wollen wir zeigen, wie wir die Ideen des Islamischen Staats „hinrichten“. Die Bildunterschrift lautet folgendermaßen: „Ihr Tiere, so sieht unsere Hinrichtung eurer Ideen aus! Seht genau hin! Wir verlangen kein Lösegeld, wir drohen nicht mit weiteren Morden, wir SCHEIßEN EINFACH AUF EUCH, IS!“

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Was war eure Intention beim Veröffentlichen des Bildes?
Mit dem Bild wollen wir die Morde, die Vergewaltigungen und die öffentlichen Hinrichtungen der islamischen Faschisten kritisieren, die immer die Schlagzeilen bestimmen … genau das will der IS doch. Die wollen, dass sich die Welt ihren Ideen unterwirft. Durch das Verbreiten der Videobotschaften mit Hinrichtungen und der Ansprachen tun wir dem Islamischen Staat nur einen Gefallen. Stattdessen sollten wir ihnen lieber unsere Botschaft mitteilen. Unsere Toleranz hat ihre Grenzen erreicht! Habt keine Angst davor, sie wütend zu machen. Lasst uns lieber mit unseren Antworten zurückschlagen, anstatt ihnen einen größere Bühne zu geben. Die Welt hat Angst und damit hat der IS sein Ziel erreicht. Wir rufen dazu auf, keine Angst mehr zu haben und zu protestieren.

Wie ist Aliaa Elmahdi bei FEMEN involviert?
Aliaa ist seit 2012 bei uns aktiv. Wir arbeiten zusammen, um unsere Meinung bezüglich der Probleme der arabischen Welt und vor allem des Islams auszudrücken. Diese bereiten ihr große Sorgen. Dieses Mal haben wir uns dazu entschieden, gemeinsam zu reagieren.

Also hat sie das Ganze vorgeschlagen?
Wir haben schon seit einer Weile darüber nachgedacht, etwas wegen des Islamischen Staats zu machen und haben auch schon bei FEMEN darüber diskutiert. Letztendlich war es klar, dass wir etwas zusammen mit Aliaa machen würden, da sie sich auch beteiligen wollte. Sofort nach dem Anschauen des Videos von James Foleys Hinrichtung trafen wir die Entscheidung. Eines unserer Mitglieder traf sich direkt mit Aliaa, ein Fotograf wurde organisiert, und das Bild war im Kasten.

Warum noch zusätzlich das Menstruationsblut?
Das war Aliaas Idee. Uns ging es nur darum zu zeigen, dass wir keine Angst davor haben, den Islamischen Staat zu verärgern. Mörder sollten verärgert werden, eine gewalttätige Ideologie muss kritisiert werden.

Die arabischen Medien wollten das Foto nicht veröffentlichen, weil „There is no God but Allah“ (neben Allah es gibt keine Gott) auf der Flagge zu lesen ist. Soll das Bild eure Nichtachtung des ganzen Islam ausdrücken?
Ich kann nicht glauben, mit wie viel Heuchelei wir es zu tun haben, vor allem wenn wir über Religion reden. Der IS tötet—wie so viele andere Terrororganisationen auch—„Ungläubige“ oder Andersgläubige. Sie drohen der Welt mit ihrer religiösen Rache. Laut manchen Muslimen hat der Islamische Staat nichts mit dem Islam zu tun, aber das ist einfach nur lächerlich. Der Dschihad wird im Koran genau erklärt und dieser ist auch offensichtlich die Grundlage ihrer „Mission“. Es ist uns egal, ob du denkst, dass wir den Islam oder irgendeine andere Religion nicht respektieren, die Frauen gegenüber so unterdrückerisch agiert, ihnen die Menschenrechte verweigert und eine Grundlage für terroristische Gruppierungen wie den Islamischen Staat darstellt. Es ist uns egal, weil wir sie nicht respektieren.

Nachdem ihr im Frühling 2013 zum „International Topless Jihad Day“ aufgerufen hattet, haben muslimische Frauen auf der ganzen Welt euer Vorhaben kritisiert und es als herablassend und islamophob bezeichnet. Sie behaupten, dass ihr die komplette islamische Kultur über eine Kamm schert und diese dann als frauenfeindlich und unterdrückend verurteilt. Sie sagen auch, dass sie nicht von weißen Feministinnen aus dem Westen „befreit“ werden müssen. Was sagst du dazu?
Alle unsere Kampagnen in muslimischen Ländern werden von Araberinnen initiiert, zum Beispiel von Aliaa. Die internationalen FEMEN-Teams beteiligen sich dann nur an diesen Aktionen. Und ganz ehrlich, ich glaube nicht, dass ich als weiße Frau weniger dazu befugt bin, über die Rechte der Frauen und über patriarchalische Vorstellungen der Religion zu reden. Meiner Meinung nach versuchen wir nicht, irgendjemanden zu retten. Wir wollen vor allem uns selbst vor diesen gewalttätigen Religionen schützen, die so weit verbreitet sind und unsere Rechte so sehr beschneiden.