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Pizza Quattro Kanone – Eine Hausräumung und sieben Anmerkungen

Heute wird die Pizzeria Anarchia geräumt. Was in anderen Städten Routine ist, gerät in Wien zu einem Einsatz aller polizeilichen Kampfgruppen—inklusive Wasserwerfer, Räumpanzer, Hundestaffel und Hubschrauber. Das löst bei den Beobachtern Erstaunen aus.

Alle Fotos von VICE Media

In Wien wird ein Haus geräumt. Was in Berlin, Frankfurt und anderen Städten inzwischen fast gelassene Routine ist, gerät in Wien zu einem Einsatz aller polizeilichen Kampfgruppen—inklusive Wasserwerfer, Räumpanzer, Hundestaffel und Hubschrauber. Das ruft bei den Beobachtern Erstaunen hervor. Dieses Erstaunen resultiert aus Unwissen, denn auch anderswo im demokratischen Europa wäre eine Hausräumung so verlaufen, wie heute in Wien. Selbst die Mannstärke der Einsatzkräfte ist nicht außergewöhnlich. Ganz gegenteilig hat die Polizei bislang korrekte Arbeit geleistet. Wir wissen aber nicht, was im Inneren des Hauses vorgeht.

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1.) Die Hausräumung ist richtig.
Der Rechtsstaat hat Recht zu sichern. Das Recht auf Eigentum ist eines der wichtigsten Rechte einer Zivilgesellschaft. Für das Recht und seine Vertreter ist es gleichgültig, ob der Besitzer des Hauses ein totaler Ungustl ist, dem man gerne gehörig die Meinung geigen würde, oder ein freundlicher Mitbürger, der jederzeit einen Teller heißer Suppe serviert bekäme. Der Rechtsstaat hat alleine das Recht durchzusetzen—sonst nichts. Er muss die Exekutive anrufen, wenn ihm die Durchsetzung verwehrt wird. Er muss das auch tun, wenn das größte Arschloch sein Recht reklamiert. Das ist hier der Fall.

2.) Die Besetzung ist legitim.
Es gibt kein Recht auf Hausbesetzung. Es gibt auch keine Rechte auf bestimmten Wohnraum in bestimmten Gegenden. Doch wie der Hausbesitzer vorgegangen ist, mit welch fiesen Methoden dieser völlig moralbefreite Mensch die Altmieter entfernen wollte, macht die Besetzer zweifellos zu den moralischen Siegern dieser Auseinandersetzung—ja sogar zur moralischen Instanz. Die Besetzer zeigen, dass man Widerlingen gegenhalten kann. Sie zerstören ihren Missbrauch als Werkzeug seiner schlechten Absichten. Der Hausbesitzer ist in diesem Fall der Böse. Die Besetzer sind die Guten. Die Polizei muss das Recht durchsetzen, das auf der Seite des Bösen steht, obwohl es ein gutes Recht ist.

3.) Die Öffentlichkeit ist unsolidarisch.
Anders, als in anderen europäischen Städten, können die Wiener Hausbesetzer mit keinerlei Solidarität ihrer Mitbürger rechnen; schon gar nicht mit jener der linksgrünen, von mir gerade in einem Beitrag als wohllebige Feiglinge festgemachten Bobo-Spießer, die mit ihrem Schöner-Wohnen-Gentrifizierungs-Scheiß ohnehin die Absichten des Hausbesitzers abnicken. Mag die wohllebigen Yppenmarktbesucher vielleicht noch die Vorgangsweise empören, das Ziel ist identisch: Raus mit den minderverdienenden Altmietern und mit dem ohnehin FPÖ-nahen Pöbel-Pack; rein mit gebildeten, wohlriechenden Kreativberufs-Menschen, die ihre Lebenskultur wie Ebola verbreiten. Besser schicke Lokale mit klirrenden Weingläsern, als stinkende und lärmende Punker, die Bierflaschen werfen.

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4.) Die wenigen Solidarischen sind dumm.
Die Besetzer haben aber auch Unterstützer. Diese sind dumm. Sie versammeln sich am Ort des Geschehens um dort Remmidemmi zu machen—mit Trillerpfeifen etc. Das ist völlig sinnlos. Viel besser wäre es, im Stil der deutschen Stadtguerilla mehrere spontane Solidaritätsdemonstrationen durchzuführen. Etwa je hundert Leute an zehn verschiedenen Stellen. Das würde den Sicherheitsapparat, der geballt an einem Ort konzentriert ist, vor nahezu unlösbare Probleme stellen. Aber freilich ist zu vermuten, dass man in Wien keine tausend Aktivisten für diese Absicht findet. Deswegen eben dumm herumstehen und glotzen.

5.) Die Exekutive beugt das Presserecht.
Die Exekutive ruft Platzsperren aus, um jegliche direkte Berichterstattung zu unterbinden. Das hat zwei Gründe. 1.) Aufwühlende Bilder könnten zu einer Solidarisierung führen und Unterstützer ansprechen, sich eilig am Ort des Geschehens einzufinden oder eine ähnliche Aktion durchzuführen. 2.) Eventuelle (wahrscheinlich sichere) Übergriffe der Beamten sollen nicht aufgezeichnet werden. Die Erfahrung der Räumungen in der Windmühlgasse und Ägidi-Spalogasse haben die Wiener Polizei gelehrt, Pressevertreter nie wieder nahe an ihre Zwangsmaßnahmen kommen zu lassen. In beiden Fällen wurden Polizisten verurteilt, weil sie entfesselt auf Leute einprügelten. Jene Journalisten, die sich heute illegal im Haus befinden (oder befanden), werden nach denselben Paragrafen angezeigt, wie die Hausbesetzer selber.

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6.) Die Presse schafft ihre Freiheit ab.
Pressevertreter sitzen während der Räumung mit den Polizeisprechern im Wirtshaus und trinken kühlende Getränke. Ihnen ist vorher mit einer Platzsperre das Beobachten des Geschehens verweigert worden. Nicht, dass sich da einer groß empört hätte. Ganz gegenteilig ist man der Exekutive hündisch dankbar, dass sie nach und nach gewisse Meter zum Begehen öffnet und auch Auskünfte gibt. Dieses Verhalten ist das Resultat der Abhängigkeit der österreichischen Medien von Inseraten der öffentlichen Hand. Diese Abhängigkeit von Volksvertretern wie Häupl, Pröll und den Ministern, dieses Betteln bei staatlichen und staatsnahen Firmen, ist einzigartig in der freien Welt. Und erbärmlich. Befremdlich auch, dass es keinem der Pressevertreter überhaupt noch auffällt. Oder irgendjemanden stören würde.

7.) Die Wiener Regierung versagt.
Ein Ratschlag aus Berlin. Der dortige Senat entkommt mancher kostenintensiven Auseinandersetzung, indem er die besetzten Häuser kauft und den Besetzern (oder Dritten) vernünftige Mietverträge anbietet. Das hat man 1983 begonnen, als in Kreuzberg und Schöneberg nach unendlich teuren und nervenaufreibenden Straßenschlachten nichts mehr ging. Und man führt es bis heute fort, wenn auch den Besetzern nach einer Lösung ist. Will ein Hausbesitzer nicht verkaufen, so wird ihm in manchem Fall mit Enteignung gedroht. Denn sein Verhalten gefährdet die öffentliche Sicherheit. So schnell kann der Wind sich drehen. Wäre Rot-Grün etwas intelligenter, wäre uns der heutige Tag erspart geblieben.

Eine Antwort auf Klimek: Ja, mit linksgrüne Bobo-Spießer sind wir alle gemeint!

Das Ende der Pizzeria Anarchia auf Video

Gastkommentar zu antideutschen Strukturen an der ÖH