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Sechs verbotene Bücher aus dem Nahen Osten, die du unbedingt lesen solltest

Sex, Religion und Politik sind die traditionellen Themen, die der Zensur zum Opfer fallen. Hier kommen unsere Literaturtipps von Ägypten bis Kuwait.

Foto: G. Lekegian | Wikimedia | CC BY-SA 2.5

Seit der Erfindung des geschriebenen Wortes sind Regierungen und politische Führer sowohl offen als auch im Geheimen damit beschäftigt, die Ansichten und Meinungen von Autoren unter Kontrolle zu halten. Im Nahen Osten—ein unglaublich vielfältiger Teil der Erde mit mehreren Sprachen, Dialekten und Meinungen—müssen Schreiber, die sich der vorherrschenden Rhetorik widersetzen, oft unter strengen Vorschriften arbeiten, um sich Gehör zu verschaffen. Autor kann in dieser Gegend ein gefährlicher, ja sogar ein tödlicher Beruf sein. Dafür gibt es viele Beispiele. Der blinde irakisch-persische Dichter Baschar ibn Burd—auch berühmt für seine Hässlichkeit und seine Affären—wurde 784 für seine unzüchtigen Gedichte totgeschlagen und in den Tigris geworfen. Das Buch Die Satanischen Verse des britischen Autors Salman Rushdie brachte Ayatollah Khomeini bekanntermaßen dazu, ein Fatwa zu erlassen, in dem zum Mord an Rushdie aufgerufen wurde. Der japanische Übersetzer des Buches wurde im Zuge dessen erstochen.

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In den politischen Aufständen des Arabischen Frühlings ging die Zensur des geschriebenen Wortes weiter. Im Persischen Golf wurde zum Beispiel die bahrainische Dichterin und Studentin Ayat al-Qormezi eingesperrt und gefoltert, weil sie während den Demonstrationen von 2011 ein Gedicht vorlas, in dem sie die Regierung von Bahrain aufs Korn nimmt. In Tunesien und Ägypten haben einige ehemals verbotene Bücher wieder ihren Weg in die Regale gefunden, aber die Zeit der Zensur ist trotzdem noch nicht vorbei. Im Juni verurteilte ein ägyptisches Gericht den Autoren Karam Saber wegen seiner Kurzgeschichten-Sammlung Where is God? zu fünf Jahren Gefängnis. Selbst im Internet-Zeitalter ist es immer noch offensichtlich, dass das gedruckte Wort zum Denken anregen und wütend machen kann.

Sex, Religion und Politik (nicht unbedingt in dieser Reihenfolge) sind die drei traditionellen Themen, bei denen die Zensoren aufhorchen. Abgesehen davon lässt sich allerdings kein wirkliches Muster ausmachen. Die Zensur ist ein eigentümliches Monster, das von Land zu Land unterschiedlich ist. Die Vorgehensweise der Zensoren ist dabei oft so schleierhaft, dass sie schon komplett unsinnig erscheint. Bücher können auf Befehl der Regierung beschlagnahmt, von der Grenzpolizei konfisziert oder aus den Ausstellungshallen von internationalen Buchmessen entfernt werden. Im März durfte man zum Beispiel über 400 Bücher nicht mehr beim Saudi-Arabischen Riyadh International Book Festival ausstellen—die Gründe dafür sind immer noch unklar.

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Die Leser und Verlage geben sich jedoch nicht geschlagen. Mit Hilfe von Online-Plattformen wie Neel wa Furat, Kotobi und Jamalon können kontroverse Bücher runtergeladen werden, die im jeweiligen Heimatland unter Umständen verboten sind. Zu Ehren der mutigen Autoren, die auch weiterhin der Zensur trotzen, stellen wir hier jetzt sechs Bücher aus dem Nahen Osten vor, die du unserer Meinung nach lesen solltest.

Metro
Ägypten
von Magdy El Shafee

Diese düstere Graphic Novel beschäftigt sich eingehend mit dem ständigen Einfluss der Armut auf die ägyptische Bevölkerung und mit der Korruption, die für viele Ägypter unter dem ehemaligen Präsidenten Hosni Mubarak zum täglichen Leben gehörte. Als das Buch 2008 veröffentlich wurde, schritt die ägyptische Regierung gleich ein: Sicherheitskräfte durchsuchten den Verlag, beschlagnahmten alle Exemplare und verboten dem Unternehmen, noch mehr davon zu verkaufen. Dabei wurde behauptet, dass das Buch „gegen die öffentliche Moral verstößt.“ Der Autor und der Verleger wurden verhaftet und mussten eine Geldstrafe zahlen. Seit 2013 ist Metro endlich wieder erhältlich—zumindest in einer Buchhandlung von Kairo.

Goat Days
Vereinigte Arabische Emirate und Saudi-Arabien
von Benyamin & Joseph Koyippally

Das Buch (2008 in Malayalam geschrieben) des in Bahrain lebenden Autors Benyamin erzählt die fiktionale Lebensgeschichte eines indischen Gastarbeiters, der von seinem Arbeitgeber misshandelt und dazu gezwungen wird, für drei Jahre auf einer Ziegenfarm in Saudi-Arabien zu arbeiten. Der Roman gewann den Kerala Sahitya Akademi Award und schaffte es auf die lange Liste des Man Asian Literary Prizes. Dieses Jahr wurde die arabische Übersetzung laut Berichten sowohl in den Vereinigten Arabischen Emiraten als auch in Saudi-Arabien verboten. Die Gründe dafür sind unbekannt und—vor allem dem Autor—unverständlich. In dem Buch geht es schließlich um menschliches Leiden im Allgemeinen.

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Das nackte Brot
Marokko und viele andere Länder des Nahen Ostens
von Mohammed Choukri

Der marokkanische Autor Mohammed Choukri lernte erst im Alter von 20 Lesen und Schreiben. Er verfasste seine Autobiographie über seine Jugend in Armut und beschrieb dabei sehr detailreich die armen Verhältnisse, den Drogenmissbrauch und den Zwang zu stehlen und sich zu prostituieren, um über die Runden zu kommen. Die Übersetzung des Buches wurde 1973 zum ersten Mal veröffentlicht. Als man es auch in Arabisch rausbrachte, zog der Innenminister von Marokko das Buch von 1983 bis 2000 aus dem Verkehr. 2005 wurde Choukris Text wegen der expliziten Sexszenen außerdem aus dem Lehrplan der Amerikanischen Universität Kairo gestrichen, drei Jahre später konfiszierten Zensoren das Werk auf der Internationalen Buchmesse in Kairo.

Die Kinder unseres Viertels
Ägypten und viele andere Länder des Nahen Ostens
von Naguib Mahfouz

Der kontroverse Roman wurde 1959 zum ersten Mal in fortgesetzter Form von der staatlichen Zeitung Al-Ahram veröffentlicht. Erst als er im darauffolgenden Jahr in Buchform herausgegeben wurde, kam das Verbot. Grund dafür waren die heiß diskutierten religiösen Inhalte des Romans (1994 stachen zwei religiöse Extremisten auf Mahfouz ein; er überlebte den Angriff). Dieses Verbot blieb in Ägypten fast 50 Jahre lang bestehen, bis das Buch 2008 erstmalig wieder gedruckt wurde. Ganz vom Tisch scheint die Kontroverse allerdings noch nicht: 2011 wurde Sons of Gebelawi vom mehrfach prämierten Ibrahim Farghali in Ägypten und Kuwait zensiert—ein Roman, der von Die Kinder unseres Viertels inspiriert ist.

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Mornings in Jenin
Jordanien
von Susan Abulhawa

Diese 2010 erschienene Geschichte über eine palästinensische Familie, die nach 1948 in einem Flüchtlingslager lebt, enthält mehrere Charaktere—darunter auch Zwillinge, die getrennt werden und dann jeweils in einer israelischen und in einer palästinensischen Familie aufwachsen. In Jordanien ist das Buch zwar auf Englisch erhältlich, die arabische Version wurde letztes Jahr allerdings aus politischen Gründen verboten. In einem Interview vermutete die Autorin, dass den Zensoren der Teil des Buches nicht passt, in dem sich Jordaniens König Abdullah und Israels Premierministerin Golda Meir treffen. Sie ist sich aber nicht sicher.

Stray Memories
Kuwait
von Abdullah Al Busais

Abdullah Al Busais Roman wurde diesen Monat vom kuwaitischen Informationsministerium verboten. In dem Buch geht es das Leben in Kuwait vor und nach der irakischen Invasion im Jahre 1990. Es kommt auch ein Charakter vor, der als Bidun zur staatenlosen Bevölkerung Kuwaits gehört. Berichten zufolge wurde das Buch verboten, weil darin „ein heikler politischer Zeitraum“ behandelt wird.