So ist es also nicht komplett absurd, anzunehmen, dass die regionalen Dienste international abgestimmte Überwachungsstrategien und entsprechend -suchbegriffe anwenden, um ähnliche Ergebnisse zu erzeugen. Dies umso mehr, wenn den Beteuerungen Glauben geschenkt wird, dass es bei der Massenüberwachung weltweiter Kommunikationsströme darum geht, globale Phänomene wie Terrorismus, die Weitergabe von Massenvernichtungswaffen und organisierte Kriminalität zu erkennen.Einen interessanten Einblick in die Praxen der globalisierten Massenüberwachung liefert der NSA-Untersuchungsausschuss: Dieser wurde nach Artikel 44 des deutschen Grundgesetzes von Seiten deutscher Parlamentarier eingesetzt und hat als wesentlichen Untersuchungsgegenstand herauszufinden, inwiefern NSA-Überwachung deutsche Interessen und verbriefte Grundrechte tangiert. Zuletzt war auch stärker im Fokus, inwiefern der BND selber an der Verletzung deutscher und der Interessen befreundeter Staaten involviert ist."Nachrichtendienst bedeutet ein ständiges Geben und Nehmen. Die Schweiz verfügt über einen kleinen, aber feinen Dienst. Wir haben unseren Partnern im Ausland durchaus etwas zu geben."
Damit wird offenkundig, dass Massenüberwachung, wie von Edward Snowden wiederholt beteuert, nicht vor allen Dingen dem internationalen Terror oder organisiert Kriminellen beikommt, sondern vor allem nützlich ist, diplomatische und wirtschaftliche Spionage zu betreiben sowie die Zivilgesellschaft in Schach zu halten. Schliesslich zeigt das National Intelligence Priorities Framework (NIPF) für den NSA-Überwachungskomplex auf, dass Terrorismus ("TERR") nur eines von 32 Überwachungsbereichen darstellt."In Deutschland standen zahlreiche ausländische Botschaften und Konsulate auf der BND-eigenen Selektorenliste: So wurden E-Mail-Adressen, Telefon- und Faxnummern von Vertretungen der USA, Frankreichs, Großbritanniens, Schwedens, Portugals, Griechenlands, Spaniens, Italiens, Österreichs, der Schweiz und selbst des Vatikans überwacht."
Eine Beteiligung der Schweiz am ECHELON-Abhörverbund konnte nie bestätigt werden, wie die Geschäftsprüfungsdelegation 2003 in ihrer Untersuchung vom Onyx-System zur Funk-Massenüberwachung festhält. Andererseits kann und muss davon ausgegangen werden, dass die Schweiz auch in diesem Bereich einen Datenaustausch betreibt. So antwortet Philipp Bürgi, Fürsprecher NDB, am 4. Juni 2015 auf Fragen im Zusammenhang mit der Abhörung von Swisscom-Leitungen durch den deutschen BND und einer möglichen Beteiligung des NDB wie folgt:"Bei Terrorismus und Drogenhandel hat sich das Verfahren allerdings als nicht sehr erfolgreich erwiesen."
Dies erstaunt aus technischer Sicht wenig, denn während für Spitzen aus Politik und Wirtschaft, "harte" Suchbegriffe wie Telefonnummern oder E-Mail-Adressen leicht einzugeben sind, bewegen sich Terroristen und Kriminelle vornehmlich verdeckt. Und selbst wenn E-Mail-Adressen bekannt sind: Die Wahrscheinlichkeit kann als gering eingeschätzt werden, dass eine Terrorzelle, die etwas auf sich gibt, tatsächlich unachtsam genug ist, Anschlagspläne per E-Mail herumzureichen.Noch dünner wird das Eis, wenn keine harten Selektoren bekannt sind: wenn also auf inhaltlicher Grundlage (zum Beispiel im Inhalt von E-Mails oder SMS) nach Terroristen oder Kriminellen getrachtet werden muss. Auch Menschen, die Schädigendes im Schilde führen, bedienen sich der Alltagssprache und nutzen Wörter wie alle anderen auch. Bloss ist der Anteil von tatsächlichen Terroristen oder sonstigen Kriminellen verschwindend gering im Verhältnis zur Gesamtpopulation. Ist ein solcher "soft selector" zu spezifisch, wird also nach einem Begriff gesucht, der kaum vorkommt, so resultieren nur wenige bis keine Treffer. Werden zu offene Suchbegriffe eingesetzt, so ist mit immens hohen Falschtrefferquoten zu rechnen. Strukturell ist die Fehlerrate immer sehr hoch, weil es keine eigentliche Terroristen- oder Kriminellensprache, geschweige denn genug Daten gibt, die kohärent für solche Gruppen stehen."Der NDB kennt bei Informationen, die er von ausländischen Nachrichtendiensten erhält, die Quellen nicht, da diese von den Diensten geheim gehalten werden. Es ist deshalb möglich, dass der NDB vereinzelt Informationen aus ausländischer Kabelaufklärung erhält."