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Bundestagswahl 2013

Pro Deutschland ruft nach Blut und Straßenschlachten

Da haben sich die Rechten mit ihren blutigen Forderungen wohl ein bisschen zu weit aus dem Fenster gelehnt: Sie waren nur zu sechst—bei 200 Gegendemonstranten und 150 Polizisten.

Die Partei Pro Deutschland steuert auf ihrer Wahlkampftour „dunkle Orte“ an. Gemeint sind Moscheen, Flüchtlingsunterkünfte und linke Zentren in ganz Deutschland. Am Montag stand ein soziokulturelles Zentrum in Leipzig auf dem Programm. Auch so ein Ort, wo Pro Deutschland die „einheimischen Helfer“ radikaler Islamisten vermutet. Die, wie ich auf der Wahlkampfkundgebung von ProD erfahren musste, außerdem „faschistoide Linksfaschisten, Kommunisten-Krokodile“ sind und insgesamt einen „asozialer Haufen“ abgeben—aha.

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Einer der sechs Mitglieder von Pro Deutschland. 

Zuerst sah es so aus, als würde die billige Provokation nicht aufgehen. Montag ist Ruhetag im Conne Island, der Laden ist dicht und daran sollte auch der Besuch des „lächerlichen und irrelevanten Haufen[s]“ nichts ändern, ließ das Plenum vorab verlauten. Und noch was: „Deutschland halt's Maul!“ stand auf dem Schild, das die Zufahrt versperrt.

Das wäre blöd gewesen für Pro Deutschland, denn die rechtspopulistische Splitterpartei hat wenig Anhänger, wenig Personal und ist, wie sich bisher gezeigt hat, bei Wahlkampfauftritten auf ein gegnerisches, empörtes Publikum angewiesen. Glücklicherweise hatte ein Plakat mit einem maskierten Konterfei vorab dafür geworben, den Auftritt von Pro Deutschland zu verhindern und deshalb nahmen etwa 200 Protestierende den weißen PD-Kleinbus mit insgesamt nur sechs Wahlkämpfern in Empfang.

Noch ein Pro Deutschland Wahlhelfer. 

Oliver Wesemann, Ex-Pressesprecher der Kölner Piraten, der zu Pro Köln übergelaufen ist und dieser Tage bei Pro Deutschland hilft, wollte mehr: „Wir wollen Straßenschlachten, wir wollen Blut sehen, damit man mal sieht, was hier abgeht!” Wirklich, Straßenschlachten und Blut, wie will er das anstellen? Die sechs Leute der selbsternannten Bürgerbewegung werden von Polizeiwagen umzingelt und können dazu wohl nicht viel beitragen. Auf Nachfrage gibt der verhetzte Wesemann keine brauchbare Antworten mehr, er muss die „Linksextremisten“ filmen, ich soll mal „Journalismus lernen“.

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Lars Seidensticker und Oliver Wesemann.

Lars Seidensticker springt ein, stellt sich höflich als Generalsekretär von Pro Deutschland vor und meint, Wesemann hat einen Spaß gemacht. Er winkt Wesemann ran, er soll das bestätigen, der will aber nicht, ich soll das trotzdem nicht aufschreiben, rät mir Seidensticker.

Dann trägt er mir die Parteizeitung hinterher und erklärt, dass er das bei Frauen eigentlich nicht macht, aber weil ich so gut aussehe, geht das schon mal. (haha) Ich muss sofort an Brüderle denken: „Sie können ein Dirndl auch ausfüllen“, hatte er zu der Journalistin Laura Himmelreich gesagt.

Und dann wieder: Ich soll das, was der Wesemann gesagt hat, mal bitte nicht schreiben. „Gesagt ist gesagt“, erwidere ich und die Stimmung kippt. „Die Alte soll hier weg“, raunt Seidensticker daraufhin unvermittelt (vorbei ist es mit den Komplimenten) ins Nirgendwo und dann hat der Generalsekretär zu tun.

Die Anlage steht, die Wahlkampfveranstaltung geht los. Mit einem Geburtstagsständchen für Manfred Rouhs, den Parteivorsitzenden. Gemeinsam singen die Wahlkämpfer ins Telefon und ins Mikro. Oh die Fremdscham.

Ich gehe zu den Gegnern, die versuchen, halbmotiviert von der anderen Straßenseite rüber zu kommen, die Polizei ist im Weg und macht überdeutlich klar, dass sie das verhindern will.

Durch die Lautsprecher dann die erste Rede von Seidensticker „Meine Damen und Herren, hier steht das anständige Deutschland, da drüben die Kommunisten-Linken und Verbrecher. Euch geht der Arsch auf Grundeis, ihr seid Krokodile, weil ihr so eine große Klappe habt und rumschreit. Ihr schreit, weil in jedem von euch ein anständiger Deutscher steckt, der raus will (…) Wenn Pro Deutschland an der Macht ist, werdet ihr arbeiten müssen. (…) Da drüben steht ein asozialer Haufen. (…) Der linksfaschistoide Mob.“ Dann kommt eine Stunde lang Redundanz dieser Worte.

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Ich geh wieder rüber zu Pro Deutschland. Ein Polizist fragt mich, ob ich mir das freiwillig anhöre. Dann wäre ich nämlich die einzige Interessierte diesseits der Polizeiwagenbarrikade gewesen. Ich frage Seidensticker, was er denkt, wie es läuft. „Die Luft ist raus bei denen“, meint Seidensticker in Richtung Protest. Man hatte sich offenbar mehr erwartet als drei Raketen, zwei Böller und ein bisschen Gerangel. Potentielle Wähler sind für ihn offenbar kein Thema.

Ich würde außerdem voreingenommen wirken, sagt Seidensticker. Mein Tipp: Vielleicht liegt's an den Beleidigungen und Anzüglichkeiten? Nein, nein, ganz anders, meint Seidensticker. Ich sei „abweisend“, aber meine Körpersprache würde etwas anderes sagen. Zumindest meine Fussspitze, die auf ihn zeigt, und das würde bedeuten, dass ich ihm eigentlich zugeneigt sei. „Aber es ist ja nicht unüblich, dass Frauen nein sagen, aber ja meinen“, glaubt Seidensticker.

Lars Seidensticker weiß über Frauen Bescheid: „Es ist ja nicht unüblich, dass Frauen nein sagen, aber ja meinen“

Zeit zu gehen. Die abgeschmackte Hybris der Verzweifelten ist zwar ein bisschen unterhaltsam, aber kurzweilig. Was bleibt, sind Fragen: Wer will nach so einer Show „pro Deutschland“ sein und wie es soll derart unprofessionelles Personal bei der Bundestagswahl über die 0,5-Prozent-Hürde schaffen? Und wozu? Jede andere rechtspopulistische Partei, die NPD oder der Rechte Flügel der CDU machen sich weniger zum Affen, wenn sie gegen Masseneinwanderung, „linken Zeitgeist“ und die „Islamisierung Europas“ hetzen. Aber das ist auch wirklich nicht mein Problem. Wahlglück haben sie alle nicht verdient.

Mehr zu den Bundestagswahlen:

Der VICE-Erstwähler-Guide zur Bundestagswahl 2013

Übrigens, diese Parteien kann man auch wählen

Wahlkampf für junge Wähler ist zu teuer