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Die besten Fake-Terroristen aller Zeiten

Was ist Pseudo-Terrorismus? Das ist Terrorismus, außer, dass du nur so tust, als wärst du ein Terrorist.

Was ist Pseudo-Terrorismus? Das ist Terrorismus, außer, dass du nur so tust, als wärst du ein Terrorist. Das macht es also viel einfacher die Leute umzubringen, denen du vormachst, du würdest selber ein leidenschaflicher Terrorist sein. Du ziehst dich an wie sie, du adaptierst ihr Verhalten, du lockst sie in die Falle. Dann tötest du sie alle.

Es ist eine Methode Ratten zu fangen, bei der du nicht nur wie eine Ratte denken musst, sondern für die du dich auch in einen qualitativ hochwertigen Rattenpelz stecken musst und deine Zeit diversen Ratten-Aktivitäten widmen solltest, wie z.B. Käse essen oder in der Kanalisation leben. Du solltest aber vor allen Dingen mit deinen neuen Rattenkollegen per du sein, bevor du dich zurück schleichst und aus sicherer Distanz massive Luftangriffe gegen sie anforderst.

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Je nachdem wie du zur Genfer Konvention stehst, ist Pseudo-Terrorismus aka 'false flag operations' entweder illegal oder eben nicht. Artikel 39, Paragraph 2 scheint zum Beispiel dagegen zu sprechen:

"Es ist verboten, Flaggen oder militärische Kennzeichen, Abzeichen oder Uniformen gegnerischer Parteien während eines Angriffs oder zu dem Zweck zu verwenden, Kriegshandlungen zu decken, zu erleichtern, zu schützen oder zu behindern."

Das heißt natürlich nicht, dass es deshalb nicht passiert. Es gibt sogar viele Pseudo-Terroristen, die seit jahrzehnten den Krieg in Afghanistan/Pakistan führen.

"Ich bin sicher, die Amerikaner sind ganz groß darin in Afghanistan", meint Dennis Croukamp, ein pensionierter Feldwebel der rhodesischen Armee. "Als wir angefangen haben, wusste nur sehr wenige Leute, dass wir uns wie Terroristen anziehen und ihre Linien infiltrieren. Zum Schluss war es dann aber so etwas wie ein offenes Geheimnis. Wenn die Amerikaner es tun, wird es aber auch eines Tages rauskommen."

Croukamp verbrachte die meisten Zeit der 70er im rhodesischen Busch und war wohl das effektivste Beispiel von Pseudo-Terrorismus, das die Welt je gesehen hat. Heute heißt Rhodesien Simbabwe und sein Präsident Robert Mugabe wird als irrer Staatsmann bewundertert - aber damals war er noch Senior Commander in der ZANLA, der Zimbabwe Africa National Liberation Army. Für viele sind das Freiheitskämpfer, aber für die von Weißen geführte rodesische Regierung von Ian Smith waren es einfach nur Terroristen.

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Croukamp, Vorher und Nachdem er im Busch gegen Terroristen kämpfte.

Zuerst sah Smiths Regierung ZANLA und ihre Verbündeten als eine Art beherrschbare Bedrohung von Recht und Ordnung. Aber 1970 wehte plötzlich ein anderer Wind durch Afrika - oder eher gesagt der mordende, bombende und hinterhältige Wind des offenen Krieges. Smith bunkerte sich ein, die Guerillas rüsteten sich hoch und die Rhodesier schlitterten direkt in einen ausgewachsenen Bürgerkrieg.

Croukamp war weiß und er war Rhodesier. 1964 war er 18 und das wäre für ihn so etwas wie ein Problem gewesen, wenn er auf ein entspanntes Leben in der Vorstadt gehofft hätte. "Ich habe '64 in der Armee gedient. Während unseres Trainings redeten viele der Ausbilder bereits von 'unserem bevorstehenden Krieg'. Die Terrs (ZANLA und andere 'Terroristen') wurden schon in Malawi, Tansania usw. ausgebildet. Wir haben alle gehofft, der Krieg würde endlich kommen, damit wir ihn nicht verpassen."

Für einen Mann, der sechzehn Jahre im afrikanischen Busch lebt, Eichhörnchen gegessen hat, kaum schlief, Eisenbahnschienen in die Luft jagte und interessante Menschen tötete, die er auf seinem Weg traf, scheint sich Croukamp dem bürgerlichen Leben ganz gut angepasst zu haben. Er erdrosselt zumindest keine Angestellten im Einkaufscenter in Kapstadt, wo wir uns verabredet haben.

Für den Großteil seines Lebens bei der Armee war Croukamp Teil der Selous Scouts, den streng geheimen, extrem gefürchteten Meistern dieser Pseudo-Einsätze: die dunkelste aller militärischen Künste. Gegründet von einem ikonoklastischen Oberst namens Ron Reid-Daly, war es ihr Job, nicht hinter sondern mitten in den feindlichen Linien zu arbeiten. Das Prüfverfahren war legendär hart - durchschnittlich bestanden nur 20 % den physischen Test, der in einem 100 km Marsch gipfelte, und dabei den Transport von 30kg Steinen vorsah. Diejenigen, die es trotzdem schafften, lernten, wie man im Busch überlebt und wie man als nationalistische Guerillas besteht.

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Seinesgleichen - weiße junge Typen mit Schlapphut, die mit Theaterschminke schwarz angemalt waren - waren nur die halbe Wahrheit. Die Scouts wurden Experten darin, so genannte 'umgekehrte' oder 'geschaltete Terrs' anzuwerben, Ex-Guerillas, die sie überredeten die Seite zu wechseln.

Einen Terr umzuschalten war eine Kunst für sich. Wie überredest du einen Mann, der sein gesamtes Leben über den gewaltsamen Widerstand gegen deine Überzeugungen definiert? Sagst du vielleicht, dass er sich das alles noch mal durch den Kopf gehen lassen soll und sich dann doch seinen früheren Unterdrückern anzuschließen? So in etwa - aber ganz vorsichtig natürlich.

Der Standart-Prozess würde ungefähr so ablaufen. Ein 'Terr' wird im Kampf verletzt, er wird gefangen genommen und mit der bestmöglichen medizinischen Hilfe versorgt, in der Hoffnung, er werde gegenüber seinen Kidnappern einen Anflug von Dankbarkeit empfinden. Dann, während er im Krankenhaus ist, wird ein anderer gezähmter Ex-Guerilla, bevorzugt einer, den sein 'Terr' bereits kennt, geschickt, um ihn zu besuchen. Sie unterhalten sich. Allmählich werden die Karten auf den Tisch gelegt. Denen, die sich umkehren lassen, wird ein eine Menge Geld gezahlt und ihre Familien werden in sichere Gegenden umgesiedelt. Und jetzt kommt der relevante Teil: wenn sie sich nicht überreden lassen, werden sie im Namen von Recht und Ordnung gehängt.

An diesem Punkt würde dann die Staatspolizei hinzugezogen um festzustellen, ob die Entscheidung überzulaufen auch aufrichtig war. Das eingegangene Risiko, das diese Feind-in-meinem-Bett Lösung mit sich bringt, ist offensichtlich: Wenn Selous Kommandeure nicht 100% überzeugt waren, würden sie Alarm schlagen oder gar gleich wieder zuschlagen. Als letzten Test gab man ihnen also ihre Waffen zurück, ohne ihnen zu sagen, dass ihre Munition nicht scharf war. Aber letztlich lag die finale Entscheidung, ob ein Terr 'umgekehrt' wurde, im Bauchgefühl.

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1976 gab es 1.000 ehemalige ZANLA, ZIPRA (Zimbabwe People's Revolutionalry Army) und ZAPU (Zimbabwean African People's Union), Soldaten, die für die Scouts arbeiteten. In ihren besten Zeiten machten sie 80 % der kompletten Einheit aus. Croukamp sinnierte über die bemerkenswerte Leichtigkeit, mit der die 'Terrs' umgekrempelt werden können, und sieht darin eine tiefere kulturelle Implikation. "Ich habe mal einen von ihnen gefragt, warum schwarze Afrikaner ihr Schicksal in einer solchen Situation scheinbar so leicht akzeptieren. Er sagte: "Weißt du, in früheren Zeiten, als das Matabele-Königreich die Shona bekämpft hat, gab es so etwas wie 'Gefangenschaft' nicht. Wir akzeptierten, dass wir sterben würden. Das wohnt uns inne. Die Männer sterben und die Frauen werden versklavt - das war für uns die Natur des Krieges." Das war für mich etwas schockierend, aber bitte schön!

Wenn du einmal deinen Fake-Terr hattest, war die Mission einfach. Benutze gefälschte Briefe, um Treffen zwischen den verschiedenen terroristischen Fraktionen zu organisieren und wenn du erst deinen Feind auf einen bestimmten Ort und eine bestimmte Zeit festgesetzt hast, lehn dich zurück und ruf Luftangriffe und Infanterie, um sie auszulöschen.

Auslöschen war definitiv das Wort: von allen ZANLA und alliierten Kräften, die während dem Busch-Krieg getötet wurden, gingen 60% auf das Konto von Selous und nur 40% wurden mit konventioneller Kriegsführung eliminiert. Der Schwanz wedelte jetzt mit dem Hund. 1976 sah es aus, als ob die Logik der damaligen Kriegsführung grundlegend geändert worden wäre.

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Nicht, dass die Zweifel bezüglich des Überzeugungspotentials deiner Terroristen jemals vollständig verschwunden wären. "Natürlich gab es eine Menge Geschichten, wo von Zeit zu Zeit etwas falsch gelaufen ist. Einmal hat uns jemand von einem angeblich bekehrten Fake-Terroristen erzählt, der als Wachposten eingeteilt war. Er ist nachts raus geschlichen, hat seine Terroristen-Kollegen angerufen und stand dann auf dem Dach des Zeltes der Einheit während sie schliefen, um sie alle in die Luft zu jagen. Das war ein riskantes Geschäft…"

Manchmal schien es, als wären die Scouts von einem unauslöschlichen Durst nach Risiko getrieben und oft war genau das der Grund für ihre größten Erfolge.

Im August 1976 fuhren dreißig - das sind 30 - schwer bewaffnete Scouts in ein paar Trucks zu den Toren der Nyadzonya Camps und waren angemalt wie die Alliierten der ZANLA Frelimo Guerillas. 5.000 - das sind fünftausend -Freiheitskämpfer waren in diesem Moment bei einer Parade und bis auf ein paar Wachposten hatte das ganze Camp seine Waffen zur Seite gelegt. Was dann folgte, war ein in seiner Effektivität ekelerregendes Massaker, egal welche Maßstäbe man anlegt. "Mein Freund Peter Mac Nealy war bei diesem Einsatz dabei. Ich habe kurz darauf mit ihm gesprochen und er sagte: 'Dennis, es war so einfach, Leute zu töten dass ich nach einer Weile aufgehört habe zu schießen und mich hinsetzte um einfach zuzusehen.' Er ist davon krank geworden".

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"Es war wie eine Sense, die durch ein Kornfeld fährt"; erzählte Reid-Daly später.

Offizieller Blutzoll: ZANLA 1.026, Scouts 0. Die doppelte Anzahl wurde verletzt und ungefähr nochmal 1.000 ertranken, während sie versuchten, sich über den Pungwe-Fluss in Sicherheit zu bringen.

"Die Ironie ist, dass einer der Terroristen einen weißen Typ in einem unserer Trucks erkannt hatte - er sah die Augen und er fing an zu schreien und seine Kammeraden zu warnen. Aber die waren schon fröhlich dabei den Truck zu belagern und Freiheitslieder zu singen: Die Jubelschreie waren so laut, dass er zu niemandem durch kam bis wir das Feuer eröffneten.. " Kein Wunder, dass die Scouts es letztendlich schafften, mehr Feinde in einem Jahr zu vernichten, als die ganze rhodesische Armee in dem ganzen Krieg.

Und kein Wunder, dass es Überlegungen gab, ihre Taktik zu reanimieren. Croukamp denkt natürlich, dass das bereits passiert ist. Seit den 70ern sind das größte Hindernis ihres intensiven Einsatzes Mobiltelefone. Wenn du noch schnell bei HQ anrufen kannst, ist es viel einfach sich zu versichern, dass die Taliban-Einheit die ist, für die sie sich ausgibt. Holt kontert, dass die USA längst die Technologie besitzen, den Empfang von Anrufen zu blockieren. "Wenn den verschiedenen Taliban-Fraktionen die mögliche Existenz von Pseudo-Operateuren bewusst wird, könnten Misstrauen, Verdacht und Chaos den Feind von innen zerstören."

Holt betont, dass die Relevanz der Pseudo-Einsätze neben der Erwirkung direkter Verluste, im Sähen von Zweifel und Misstrauen innerhalb einer Einheit liegt. Ihre Aufgabe ist es dafür zu sorgen, dass die Wahrheit wie eine Lüge aussieht und eine Lüge wie die Wahrheit, um eine zähe und zielstrebige Guerilla-Armee in eine zitternde Masse paranoider Nervenbündel zu verwandeln, die ihren Sinnen nicht mehr vertrauen können.

Croukamp hat eine Denkschrift über seine Zeit bei den Scouts veröffentlicht: Only My Friends Call me Crouks. Er sagt, dass sich bei ihm die Emails von aktiven britischen und amerikanischen Militärs stapeln - viele sind in Afghanistan stationiert, wo man sein Buch scheinbar zu einer Art obligatorischen Lektüre gemacht hat und als Anleitung für ähnlich durchbrechende Arbeitsweisen benutzt.

"Da ist dieser Typ in Amerika, der mir geschrieben hat. Er sagt, er hätte mein Buch zur Pflichtlektüre für seine Soldaten gemacht. Er sagt: 'ich bin beeindruckt, wie weit du es im Krieg als Individuum gebracht hast'. Meine Antwort war, dass wir in unserem Krieg gelebt haben. Meine Frau trug auch eine Uniform. Sie war die Funkerin unserer Einheit. Sie ging immer mit einer 9mm im Halfter und einer Uzi im Hosenbund in die Stadt einkaufen."

Letztendlich ist es in unserem heutigen Umfeld trotzdem die flächendeckende mediale Erfassung, die eine langfristige Zukunft der Pseudo-Operationen im Weg steht. Nach WikiLeaks lernen die Regierungen gerade, sich gut zu überlegen, was möglicherweise eines Tages ans Licht der Öffentlichkeit kommt. Pseudo kann zwar hoch effizient sein aber es ist kein Stil, der liberale Demokratien gut dastehen lässt. Es bleibt also ein Echo aus den 70ern, als geheime Kriege ein viel existentiellerer Teil des Kriegs waren, und das Ziel die Mittel zum Selbstzweck gemacht hat.

"Dieser Kommandant in Amerika," fährt Croukamp fort, hat mir noch eine andere Frage gestellt. "'Was waren eure 'Rules of Engagement?' Ich sagte ihm, dass ich davon noch nie gehört hätte, bis ich einen Film mit genau diesem Titel sah. Wir hatten nur eine Regel: Töte den Feind".