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Der Gangster-Prediger

Der südafrikanische Prediger Albern Martins liebt es herumzuschreien. Er hat die Angewohnheit, direkt neben deinem Ohr zu stehen und dir Phrasen über Gott, Buße, Vergebung, Kriminelle, die er kannte und liebte, muslimische Gruppen, die er verabscheute...

Der südafrikanische Prediger Albern Martins liebt es herumzuschreien. Er hat die Angewohnheit, direkt neben deinem Ohr zu stehen und dir Phrasen über Gott, Buße, Vergebung, Kriminelle, die er kannte und liebte, muslimische Gruppen, die er verabscheute und Anekdoten über die andauernde Misere des farbigen Mannes ins Ohr zu dröhnen. Und das sind nur ein paar seiner Themen. Mit lauter Stimme erzählt er mir: „Vor Weihnachten hatte die Polizei den Verdacht, dass es hier zu einer Schießerei kommen könnte. Es bedarf nur drei Anrufe von mir, drei Anrufe und die ganze Sache war erledigt.“ Pastor Albern Martins war der Prediger, der sich in den 90er Jahren um Gangsterbeerdigungen gekümmert hat. Wenn du es mit einem toten Kriminellen zu tun hattest, hast du (nach gewaltsamen Vergeltungsmaßnahmen) erst mal Pastor Albern angerufen. In den tief religiösen Gefilden der Cape Flats in Cape Town, Südafrika, schuf er diese spezielle Branche und schröpfte sie. Alles in allem organisierte er über 200 Gangster-Beerdigungen. Manchmal fünf am Tag. „Ich bin die ganze Zeit nur noch rumgerannt. Jeder wollte Pastor Martins“.

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Die Liste seiner beerdigten Kunden gingen Pastor Martins Namen bald voraus. Zum Beispiel Colin Stanfield-Firmenmogul, Monarch der Cape-Flat Unterwelt, verhaftet wegen Steuerhinterziehung im Al Capone-Style, bezahlte für seine Beerdigung lange bevor er an Lungenkrebs starb. Jackie Lonte, der erste der aus Amerika Crack nach Südafrika importierte, gehörte auch zu seinen Kunden. Ebenfalls in der Liste: Mongrels Boss Bobby Mongrel, Katy-Ann Arendse, die einzige Frau die jemals in die Vorstandsetage der Cape Flats vorgedrungen ist und in ihrer Einfahrt ermordet wurde, Ernie „La Pepa“ Peters, ermordet in seinem blauen BMW, glücklicherweise nachdem Martins ihn auf Gottes Pfad geführt hatte.

Colin Stanfield jedoch war sein Glanzstück. Damals zogen Tausende durch die Straßen von Valhalla Park und sangen „Colin und Gott, Colin und Gott“. Ein großes, weißes Banner verkündete: „Das Gericht hat entschieden, aber die Gesellschaft hat es überstimmt“. Über große Bildschirme verfolgten sie, wie Pastor Martins Colin Stanfield pries und weinten für den Mann, den sie für einen modernen Robin Hood hielten. „Er bezahlte ihre Wasser und Stromrechnungen. Es gab keine Schulgebühren oder was auch immer und sie konnten mit jedem Problem zu ihm kommen. Jede Beschwerde, jedes Problem, musste nur an ihn herangetragen werden und wurde sofort gelöst. Ein Drogenbaron wie er hält oft solche Führungspositionen in der Gesellschaft innne. Er macht die Gegend sicher, kontrolliert sie. Wenn du Frieden willst in den Cape Flats musst du vielleicht mit nur fünf Männern reden. Aber diese fünf Männer, können den westlichen Teil des Viertels zu einem Höllengebiet machen, wenn sie wollen.“

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Es gibt schätzungsweise 100.000 Gangster in den Cape Flats, gerechnet auf eine Gesamteinwohnerzahl von einer Million. Diese Nachbarschaft ist ein Himmelreich für Kleinkriminelle. In einem Gebiet mit einer Arbeitslosenrate von 60 Prozent, finden viele eine Beschäftigungsmöglichkeit als Gangmitglied. Erst in den 90er Jahren wurde es möglich in einer der fünf Hauptgangs (The Hard Livings, The Americans, The Mongrels, The Firm, The Sexy Boys) eine Führungsposition einzunehmen. Der Stichtag dafür war der 4. August 1996.

Pastor Martins behauptet, dass der Tag für ihn wie eine Prophezeiung war. Während er betete, hatte er eine Vision, in der er einen muslimischen Mann sah und das Nummernschild eines weißen Pick-ups (in Südafrika „Bakkie") mit den Ziffern „04-08-96". Ich für meinen Teil glaube ihm. „Für mich bedeutete das, dass es einen großen Kampf gegen einen muslimischen Feind geben wird - und dass wir gewinnen werden".

Fates weißer „Bakkie" könnte es gewesen sein, aus dem Rashaad Staggie, Co-Anführer der berüchtigten Hard Living-Gang, geschossen hatte, als er seinem Zwillingsbruder Rashied helfen wollte. Rashied hatte anscheinend Probleme mit ein paar muslimischen Fundamentalisten, denen es „auf die Nerven" ging, dass er Riesenmengen an Drogen in ihrer Nachbarschaft verkaufte. Sie waren so angepisst, dass sie ihre maskierte und bewaffnete Miliz zu seinem Haus am Salt River schickten und ihm Rache androhen ließen. Das Bildmaterial von den folgenden Ereignissen gehört zu dem Brutalsten, was Fernsehkameras je eingefangen haben.

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Rashaad wird aus dem Transporter gezogen und versucht es zur Vordertür bei seinem Bruder zu schaffen aber eine Wand aus Kugeln macht es unmöglich. Er weigert sich zu sterben, durch pure Willenskraft - immerhin ist er ein Mann, der in seiner Stadt einen Ruf zu verlieren hat. Obwohl das ganze Blei seine Eingeweide verstopft, lebt er einfach weiter. Also überschütten sie ihn mit Benzin und zünden ihn an. Schmelzend und mehrmals angeschossen läuft Rashaad die Straße runter und wird immer langsamer, bevor er schließlich auf dem Bürgersteig umkippt. Er ist immer noch nicht tot. Die Schläge mit den Stöcken haben ihn letztlich umgebracht. Er war der Getto-Rasputin.

Viele derer, die in den Cape-Flats leben, haben die Essenz der Botschaft möglicherweise nicht verstanden: An diesem Abend ist ein Krieg ausgebrochen. Seit fünf Jahren sind die fundamentalistischen Moslems gegen Drogen und Gangstertum, und wären uneingeschränkt bereit, gegen die Gangs in einen Kampf zu ziehen, der sich augenblicklich in einen verzehrenden Krieg gegen den Staat verwandeln würde. Für Martins wäre es das Geschäft des Jahrhunderts.

Weil sie immer mehr von der militanten Fraktion unter Abdus Salaam Ebrahim infiltriert und dominiert wurden, verwandelte sich ihre eigentliches Ziel in eine Serie aus Morden und Bombenanschlägen. Während GAPDs Anführer relativ unbeschadet aus der Sache heraus kamen, fand sich ein Typ nach dem anderen mit R5 Gewehren im Arsch in seiner Auffahrt wieder.

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„PAGAD hätte uns eine Vorankündigung geschickt. Sie hätten mich angerufen und gesagt: ‚morgen wirst du sterben'. Die Regierung hat PAGAD quasi die Lizenz zum Töten gegeben. Es hat für sie ein Problem gelöst -also haben sie ihre Gesetze auf Eis gelegt und die Typen machen lassen was sie wollen."

Sie wurden zu Martins gerufen weil er seine Stellung als Freund der Gangs benutzte um als Vermittler aufzutreten. Letztendlich hat er seinen Status zur Formsache gemacht indem er CORE gegründet hat.

„CORE waren die, die gesagt haben ‚du weißt, dass jede Gang einen neuen Feind hat - also müssen wir jetzt zusammenhalten. Ok, wir wollen grade keine Drogenbarone mehr sein und weil die meisten von uns keine Pässe haben, können wir auch nicht weglaufen. Wir sind jetzt die Opfer'. Also wurden wir zu einer Einheit. Jerome Booysens von den Sexy Boys war verantwortlich. Wir verhandelten mit der Regierung. Wir verhandelten mit den Gangs. Aber die Regierung betrachtete und als Abschaum…"

Er suchte einen Schuhkarton voller alter Fotos raus. „Alle Menschen auf diesem Foto sind jetzt tot", verkündete er, „außer mir". Er zog eins von sich und dem Bandenchef heraus. Sie hatten Badehosen an und paddelten in einer Art heißer Quelle herum. „Wir hatten ein Geschäftstreffen - eine Wochenendkonferenz".

Wenn PAGAD Leute angreift, die sich seit Jahren gegenseitig ungestört das Gehirn wegpuste, warum richten die Gangster dann nicht einfach ihre monströse Waffen und ihren fanatischen Blutrausch gegen sie? Naja, weil Martins ernsthaft glaubt, dass die gesamte Gemeinschaft von einer Welle der Nächstenliebe getragen wird - und, dass sie, konfrontiert mit der Gewalt der PAGAD, plötzlich und wunderbarerweise dem Dienst des Friedens verpflichtet waren.

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„Alle Mitglieder der Gang waren bereit zu sagen: Ok, wir geben auf. Was sollen wir sonst tun?"

Es gab immer Gerüchte, dass Martins selbst einer der Anführer war. Ein Mann, der nicht nur Gangster begraben und mit ihnen verlängerte Wochenende verbracht hat, sondern ein aktiver Vertreter ihrer Interessen war: Das Sprachrohr der Gangster, Musterbeispiel in Sachen Ansehen und Solidarität, der Samthandschuh ihrer eisernen Faust.

Natürlich sagt er das sei Bullshit - aber vor ein paar Jahren hat die Polizei Tonnen vom Aussterben bedrohter Schalentiere in seinem Lagerhaus gefunden. Hört sich lahm an, aber der Besitz wäre eine saftige Gefängnisstrafe wert- und um es in Zahlen auszudrücken: Wenn er eine Geldstrafe bezahlen müsste, wären das 100 Millionen britische Pfund. Er bleibt aber das siebte Jahr eisern, als würde er sich einer Dickenschen Prüfung stellen, die auch seine Frau und seinen Sohn einbezieht. Und es gibt kein Anzeichen dafür, dass er sein Schweigen brechen wird. Er behauptet weiter, dass er in eine Falle gelockt wurde.

„Der Mann, der mir mit dem Lagerhaus geholfen hat, war auf der Gehaltsliste der Polizei." Die wurden bezahlt, um es in mein Lagerhaus zu schmuggeln. Es war auch etwas Kokain. Drei Monate waren meine Frau, mein Sohn und ich im Knast. Ich wurde gelinkt, Mann!"

Bei Anbruch des neuen Jahrzehnts hatten PAGAD den Bogen überspannt. Nachdem sie für 600 terroristische Zwischenfälle in der Stadt verantwortlich waren und die Polizei begann, ihr Netzwerk auszuheben, fingen sie an wichtige Zeugen auszuschalten. Sie bombardierten die lokale Einheit für Verbrechensbekämpfung. Sie bombardierten Schwulenclubs und Synagogen. Aber am schändlichsten war der Anschlag auf das lokale Planet Hollywood Restaurant, bei dem eine Person getötet, und 27 verletzt wurden. Sie töteten auch den ermittelnden Polizeichef Bennie Lategan aber es war der Mord an dem vorsitzenden Richter, der an einem mit der PAGAD zusammenhängenden Fall aus dem Jahr 2000 arbeitete, der das Fass zum überlaufen brachte. Der Führungskommando ging ins Gefängnis, die Mitglieder gingen nachhause.

Jetzt, ein Jahrzehnt später, haben viele der Schlüsselfiguren ihre Zeit im Knast schon abgesessen und PAGAD ist dabei ein Revival zu feiern. Der militante Priester Abdus Salaam Ebrahim war für seine Rolle beim Mord an Staggie im Knast und schon nach fünf Jahren wieder ein freier Mann. Er scheint eifrig dabei zu sein, das alte Unternehmen für neue ruhmreiche Tage fit zu machen: Sie haben eine glänzende neue Website und verkünden, man wolle mit Niederlassungen an der südafrikanischen Küste expandieren.

Pastor Albern wird auf sie warten.