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Reisen

Die Straßengangs von Papua-Neuguinea sehen brutal aus

Die Raskols aus Port Moresby lassen hiesige Gangster-Rapper ziemlich alt aussehen.

Die Straßengangs von Papua-Neuguinea, die Raskols, lassen so ziemlich alle hiesigen Gangster-Rapper und die Ansprüche, die diese an sich selber haben, ziemlich alt aussehen. Wenn die Raskols einen auf dicke Hose machen, dann fahren sie nicht mit fetten Karren durch die Gegend und drehen ihre Anlagen auf, sondern tragen ihre zu Hause selbst gebastelten Waffen—von Messern bis zu Pistolen—durch die Gegend. Wir haben uns mit dem Fotografen Stephen Dupont über die Arbeit an seinem im Oktober erscheinenden Buch Raskols: The Gangs of Papua New Guinea unterhalten.

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VICE: Woher kommt dein Interesse für Papua-Neuguinea?
Stephen Dupont: Wenn man in Australien lebt, kennt man immer irgendwen, der gerade von dort kommt oder irgendwann schon mal dort gelebt hat. Ich bin fasziniert von diesem Land, von seinen Geschichten, seiner Ursprünglichkeit und dem „Herz der Finsternis“-Image. In den späten 90ern hing ich viel im „Jayapura Room“ ab, einem Club, wo Kriegsberichterstatter, Filmemacher und Fotografen, Journalisten und Professoren und alle Arten von Menschen, die in irgendeiner Verbindung zu PNG standen, ein- und ausgingen.

Was ist im Jayapura Room so passiert?
Unser Gastgeber war ein feiner Herr namens Mark Worth—leider weilt er nicht mehr unter uns—der damals Partys bis zum Morgengrauen veranstaltete, jeder konnte dann seine Geschichte erzählen, sich informieren und Menschen zum Austausch von Erlebtem finden. Alle waren dort für eine aktuellen News-Geschichten, für Krisenberichterstattung aus nächster Nähe.

Wann warst du zum ersten Mal da drüben?
Mein bester Freund, Ben Bonhane, war schon vorher in Papua-Neuguinea gewesen und so beschlossen wir 2004, gemeinsam eine Dokumentation über die „Raskols“ in Port Moresby zu machen. Ohne zu wissen, worauf wir uns eigentlich einließen oder womit wir es zu tun haben sollten, hingen wir letztendlich die meiste Zeit in einem als gefährlich bekannten Viertel namens Kaugere herum, bis wir Kontakt zur „Kips Kaboni“-Gang bekamen.

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Für die, die es nicht wissen: Kannst du uns eine Zusammenfassung der Entwicklung Papua-Neuguineas seit seiner Unabhängigkeit von Australien geben?
Der politischen Unabhängigkeit Papua-Neuguineas 1975 von Australien folgten häufig wechselnde politische Führungskader, wobei man den kürzlich wieder abgesetzten Michael Somare herausstellen sollte. Trotzdem ist die politische Lage in PNG relativ stabil und so hat es manch militärischen Putsch und ethnischen Konflikt überstanden, ebenso den erst vor Kurzem blutig beendeten Bürgerkrieg in der Provinz Bougainville. Das liegt wohl daran, dass in Papua-Neuguinea über 800 Stämme auf vielen Inseln und in abgelegenen Gebieten leben.

In deinem Vorwort erwähnst du, dass Port Moresby vom Economist als die Stadt bezeichnet wird, in der man am schlechtesten lebt. Wie muss man sich den Alltag dort vorstellen?
Port Moresby wird jedes Jahr in den Top-5 der schlimmsten Städte der Welt platziert, nur dieses Jahr erstmalig auf dem zweitem Rang hinter Dhaka in Bangladesch. Ich finde, diese Art von Rating basierend auf irgendwelchen Statistiken erhält zu viel Aufmerksamkeit. Ja, Moresby ist ein hartes Pflaster, grausam und gefährlich, und die gesellschaftliche Realität durch die hohe städtische Arbeitslosigkeit führt zu einem sich steigernden Bedürfnis nach persönlicher Sicherheit und einer wachsenden Nachfrage im Security-Sektor, aber ich habe mich wirklich schon in schlimmeren Städten aufgehalten. Ich finde, Moresby ist noch lange nicht Mogadischu oder Kabul. Natürlich solltest du dir wie in jeder größeren Stadt überall auf der Welt im Klaren darüber sein, wo du dich befindest und dich dementsprechend vorbereiten, damit du die Lebensumstände und gesellschaftlichen Zustände kennst und mit den richtigen Leuten zu tun hast. Dann kannst du überall gut klar kommen, du kannst sogar Freundschaft mit Raskols schließen und dich dann sogar in den schlimmsten Vierteln relativ sicher bewegen.

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Wenn ich das richtig verstehe, ist „Raskol“ die Bezeichnung eines Mitgliedes einer Straßengang? 
Es ist Tok Pisin und bedeutet „Krimineller“.

Hast du in deinem Buch Mitglieder verschiedener, rivalisierender Gruppen porträtiert oder gehören sie alle zu derselben Gang?
Die Porträts im Buch zeigen alle Gangmitglieder der „Kips Kaboni“.

In welche Art von Kriminalität sind diese Gangs involviert? Gehört auch organisierte Kriminalität auf höchster gesellschaftlicher Ebene dazu, oder findet man sie nur an der Straßenecke?
Das meiste ist Kleinkriminalität. Abziehen, Einbrüche, Autoklau, Notwendigkeiten zum täglichen Überleben. Jedoch gibt es auch hier eine Form organisierter Kriminalität, bei bewaffneten Raubüberfällen beispielsweise und bei Gangfights rivalisierender Gruppen.

Wie hast du es geschafft, in Kontakt zu Gangmitgliedern zu kommen?
Ben und ich waren mit der Recherche in Port Moresby beschäftigt, da stießen wir auf den Konflikt in Kaugere und die Kips Kaboni. Als wir mit der Lokalpolitikerin Lady Kidu unterwegs in ihrem Wahlkreis South Moresby waren—dem Territorium der Kips Kaboni—, gerieten wir zwischen die Fronten eines offenen Gangkonflikts. Ben und ich und die couragierte Lady Kidu fanden uns plötzlich inmitten einer ernsthaften Konfrontation zwischen zwei Stämmen wieder, den Motu, Mitgliedern der Landbevölkerung bestehend aus Grundbesitzern, und den Tari, die ursprünglich aus dem Hochland stammen. Eine Frau des Motu-Stammes war in der Nacht zuvor von einem betrunkenen Tari mit seinem Speer getötet worden, und dies führte nun in einer Übersprungshandlung zu einem Racheakt handfester Selbstjustiz, in dessen Folge es in der Siedlung zu Plünderungen und Inbrandsetzen sämtlicher Läden im Besitz der Tari kam.

Hört sich nach einer ernsthaft angespannten Lage an. 
Nun, wir hatten in diesem Moment das Glück, einen der Führer der Kips Kaboni, Alan Omara, zu treffen, während Lady Kidu noch im Gespräch mit den Kaugere-Ältesten war. Alan und seine Jungs hatten also in voller Montur damit zu tun, die Motuans und ihre Besitztümer zu verteidigen und hielten sich gerade für einen gegnerischen Angriff der Jungs aus den Hochland-Gangs bereit, als wir auf der Bildfläche auftauchten. Alan war wirklich ein aufgeschlossener Mensch und Ben und ich fühlten mit seinen Leute und ihren Beweggründen, wodurch sich eine Art Beziehung entwickelte, die es uns ermöglichte, mit unserer Geschichte loszulegen und die Porträts zu machen. Alan sagte uns damals, dass noch nie zuvor ein weißer Mann, kein einziger Journalist oder sonstwer, je zuvor ohne vorherige Erlaubnis sein Gebiet auf eigene Faust betreten hätte. Er sagte, wir wären verrückt, aber er mochte das.

Lass uns über die Waffen sprechen. Einige sehen selbstgebaut aus oder sogar spärlich zusammengeschustert. Was hat es damit auf sich?
Ja, diese Waffen, Kanonen und Messer werden in den Siedlungen selbst und ausschließlich per Handarbeit zusammengebaut. Revolver sind in PNG sehr teuer und schwer zu beschaffen, also haben die Einheimischen begonnen, ihre eignen anzufertigen—ich finde, manche davon sind echte Kunstwerke.

Habt ihr jemals Momente tatsächlicher Bedrohung während eurer Dokumentation erlebt? Steht ihr auch jetzt nach Abschluss der Arbeiten noch in Kontakt mit den Gangs?
Ich habe mich in Kaugere in Anwesenheit der Gang niemals ernsthaft bedroht gefühlt, nein.  Und natürlich fühle ich mich mittlerweile mit der Gemeinde dort verbunden und habe sie auch all die Jahre immer wieder besucht und sogar ihren lokalen Rugby-Club unterstützt, die „Kaugere Bulldogs“.
Ich tue, was ich kann, und momentan arbeite ich gerade an einem Dokumentarfilm über Rugby in Kaugere.