FYI.

This story is over 5 years old.

Bis so guet

Facebook ist das neue RTL

Trash-TV ist tot—es lebe Facebook!

Foto von Andreas Ivarrson ı Flickr ı CC BY 2.0

Ich wurde gequält. Monatelang. Von einer Frage, die in meinem Gehirn ohne Pause nach Antworten grub. Warum gibt es menschliche Dummheit? Ist sie vererbt? Erlernt? Hat dieser Gott etwas damit zu tun? Dieses quälende „Warum" musste ich wehrlos über mich ergehen lassen, nur um herauszufinden: Ich weiss es nicht. Was ich aber zu wissen glaube: Wo die Elite der geistigen Bulimie ihr Kaffeekränzchen abhält—auf Facebook.

Anzeige

Für einen gepflegten Sozialvoyeur wie mich sind Facebook, Youtube und Co. ein gefundenes Fressen. Kämpfte ich früher stundenlang mit dem Stream der RTL-Mediathek „RTL now"—die in einem verzweifelten Hilferuf an sie neu auch unter dieser URL verfügbar ist—, sauge ich heute News-Kommentare auf Facebook auf.

Dabei stosse ich immer wieder an die Grenzen meiner Vorstellungskraft. Macht das Internet die Menschen dumm? Oder die Menschen das Internet? Über eine Antwort bin ich im Verlauf meiner mehrjährigen Studie noch nicht gestolpert, konnte aber immerhin fünf Kommentar-Typen herausfiltern:

Foto von Gideon Wright ı Flickr ı CC BY 2.0

Der Mörgeli
Lieblingsaussage: „DAS WIRD MAN WOHL NOCH SAGEN DÜRFEN!!!"Ja, das darf man sagen—wenn man sich beim Händedruck mit der Öffentlichkeit als ignorantes Arschloch vorstellen will. Denn egal was passiert, der Mörgeli kennt den Schuldigen: Alle ausser ihm. Wird in Zürich irgendeine Katze überfahren, sass bestimmt so ein rasender Jugo-Lenker oder so ein linkslinker Journalist hinter dem Lenkrad. Klingt etwas unreflektiert? Kein Wunder, der Mörgeli ist schwer damit beschäftigt, seine Komplexe auf der Capslock-Taste abzuladen. Da bleibt keine Zeit, um nachzudenken.

Der Schawinski
Lieblingsaussage: „Das kann man doch nicht sagen!" Doch, kann man. Der Mörgeli hat's gerade bewiesen. Dagegen hilft Schawinskis „Hey, lasst uns doch alle an den Händen halten und Kumbaya singend um eine Blume tanzen." reichlich wenig. Doch egal wie oft der Schawinski zu seiner geheuchelten Empörung ansetzt, ich kann ihm nicht böse sein. Er ist schliesslich der Motor für Mörgelis Ausrufezeichenschlacht. Und was wäre das Internet für ein trostloser Ort ohne Hass und typografisches Geschrei?

Anzeige

Der Rechtschreib-Nazi
Lieblingsaussage: „*seid". Der Rechtschreib-Hitler ist die Mutter Theresa des Internets. Angstlos stürzt er sich in anarchische Mörgeli-Schawinski-Streitereien, rettet Facebook vor der kompletten Verwahrlosung und sich selbst vor Albträumen, in denen er von kläglich vernachlässigten Kommas in eine Schlucht voller menschenfressender das/dass-Fehler getrieben wird. Und das alles ohne jeglichen Erfolg. Denn egal, wieviele Kommafehler der Rechtschreib-Nazi korrigiert, ihnen ist es scheissegal.

Foto von Wikimedia ı feigegeben durch www.parlament.ch

Der Aluhut:
Lieblingsaussage: „http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de". Der Aluhut ist ein kritischer User. Er misstraut allem. Ausser der neusten Youtube-Doku, die mit einem wimmernden Xavier Naidoo-Soundtrack unterlegt die einzig wahre Wahrheit verbreitet. Und diese Wahrheit muss er als ihr Jünger an uns weitergeben. Denn er weiss, was in dieser Welt falsch läuft. Dass wir von der EUdSSR und der NATO-finanzierten Systempresse regiert werden. Was er nicht merkt: Das absolut beschissenste auf dieser Welt sind seine Links zum nächsten Aluhut-DIY-Tutorial.

Der HAHA-Typ
Lieblingsaussage: „Max Muster". Der HAHA-Typ kennt viele Leute. Wirklich viele Leute. Und weil alle wissen müssen, wieviele Leute er kennt, verlinkt er gleich alle seine Freunde—jeweils in einem einzelnen Kommentar. Grundsätzlich wäre mir der HAHA-Typ scheissegal, müsste ich nicht jedes Mal an tausenden fettgedruckten Namen vorbeiscrollen, um zum nächsten Mörgeli-Kommentar zu gelangen. Hey, es gibt da so eine neue Erfindung. Die nennt sich „Chat". Soll ganz praktisch sein.

Anzeige

Richtig unterhaltsam sein könnt ihr selbstverständlich auch diese Woche wieder:

Heute gibt es Paint fast paint smart im LOKAL-INT.

Morgen geniessen wir den Fight Palast im Theater am Gleis Winterthur oder feiern neun Jahre Zuki. Neun Jahre!! Vorher gehen wir noch in die Römerapotheke, schauen Queersicht Kurzfilme im Kino Reitschule und tanzen uns die Beine ab am Kaleidoskop Electronic Music Festival im KIFF. Oder wir helfen in der Lady Bar Locke & Zipfel auf der Suche nach den Pilgervätern.

Am Samstag spielt Acid Arab im Palace. Und 2manyDjs sind im Plaza.

Und am Sonntag kommt Kyla La Grange in die Schüür. Aber wir bleiben beim Umsteigen eh in Olten hängen und schauen uns und geben uns maskulinen Songwriter im Coq d'Or.