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allerdings keine psychische Krankheit. Wenn das Motiv für seine Tat aus einer Krankheit resultiert, gilt man in einem aufgeklärten Rechtssystem normalerweise als nicht zurechnungsfähig. Das hat schon Aristoteles so gefordert. Kastner erklärt das so: „Wenn du denkst, deine Mutter wäre ein Marsmensch, der die Apokalypse plant, und du sie deswegen umbringst, dann ist das eine Schizophrenie. Dann warst du nicht zurechnungsfähig und bist auch nicht schuldfähig."Kastner redet geradeheraus, zeigt in vielen Situationen sogar Humor. Genau das finden viele in diesem Zusammenhang geschmacklos. Aber bei genauerer Betrachtung wirkt ihre Reaktion umso ehrlicher, weil sie den geforderten Vorurteilen der sensationsgierigen Öffentlichkeit mit einer Mischung aus nüchterner Professionalität und entkoppelter Privatmeinung entgegentritt. Kastner zeigt, dass man persönlich Mensch sein und professionell ohne Vorverurteilung und Unsachlichkeit agieren kann. Wenn sie auf unsere Frage, ob man sich so ein eintägiges Gutachten gemütlich vorstellen kann, mit einem Lachanfall reagiert, beantwortet sie diese besser als mit jeder bemüht emotionalen Beschreibung der Situation. Und wenn sich Josef Fritzl während des Gesprächs als kooperativ und zuvorkommend gezeigt hat, warum sollte sie dann lügen, nur um dem in der Öffentlichkeit vertretenen Ekel eine Bestätigung zu geben? Es ist ganz einfach: Adelheid Kastner saß in diesem Raum und durchleuchtete Fritzl wie jeden anderen ihrer Klienten auch. Auf Sensationsgelüste reagiert Kastner mit harten, oft faden Tatsachen. Inzwischen überwiegt blankes Desinteresse. Sie hat in den vergangenen Jahren immer wieder dieselben Fragen gestellt bekommen: „Warum genau diese Tochter?" Kastner antwortet mit dem, was Fritzl an jenem Samstag in Stein zu ihr gesagt hat: „Weil sie mir am ähnlichsten war". Ist Fritzl pädophil? „Das ist er ganz sicher nicht. Er hat seine Tochter ganz klar als Partnerin gesehen, hatte aber kein Interesse an präpubertären Kindern. Wenn, dann leidet Fritzl unter dem Verlangen, sexuelle Dominanz auszuüben und andere zu unterdrücken". Zeigt er heute Reue? Ist ihm klar was er Böses getan hat?" Bei dieser Frage holt Kastner weit aus. Sie steht diesem Gut-böse-Schema mindestens so kritisch gegenüber wie „so manch anderem Blödsinn, der über den Fall geschrieben wurde." In der Praxis ist das Böse weder eine psychiatrische Kategorie noch eine valide Diagnose. Es ist vielmehr eine moralische, ethische oder theologische, aber nie medizinische Frage und somit für die Forensik als Kategorie nicht relevant. Wir imaginieren das Böse gerne, zentrieren es in einer Person, damit wir diese als Sündenbock verjagen können.„Am Fall Fritzl ist überhaupt nichts Besonderes. Väter misshandeln ihre Töchter und ja, oft entstehen Kinder aus diesen Übergriffen. Alles, was den Fall besonders macht, ist seine Zeitspanne."
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