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Bundestagswahl 2013

Wer hat den schönsten Politiker-Arsch?

Ein bayrischer Grünen-Landtagsabgeordneter hat die Republikaner angezeigt, weil er sich von ihrem Plakat als „grünes Arschloch“ beleidigt fühlt.

Dass der Wahlkampf die Verantwortlichen zu Erbärmlichkeit, moralischer Verwahrlosung und vor allem unendlichen Langweilen zwingt, habe ich euch ja schon kürzlich gezeigt. Die Kampagne der Republikaner aber unterbietet alles, was ihr bisher gesehen habt. Seit Anfang August tritt die rechte Partei mit folgendem Plakat auf:

Ein Plakat mit vier Ärschen in rot, grün, schwarz und gelb und dem Slogan: „Welchen A…. wählen Sie nächstes Mal?“. Man muss keinen PR-Experten interviewen um herauszufinden, dass der politische Aussagewert des Plakats hart gegen Null tendiert. Und dass es einfach nur dumpfe Ressentiments gegen Politiker der etablierten Parteien schürt. Der Brandenburger Landesverband hat ein Bild auf Facebook gepostet, auf dem der Vorsitzende Heiko Müller mit dem Plakat vor dem Spremberger „Germaniastein“ posiert:

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Die Plakate hängen allerdings hauptsächlich in Bayern, wo die Republikaner 1983 als Splitterpartei der CSU gegründet wurden. Franz-Josef Strauß sagte mal über sie: „Rechts von der CSU darf es keine demokratisch legitimierte Partei geben!“ Am 22. September versuchen die Republikaner dort in den Landtag einzuziehen, was nach Umfragen bisher fast so unwahrscheinlich ist wie auf Bundesebene. Mit ihrer Kampagne haben sie in Kempten bereits so provoziert, dass einige Arschplakate abgerissen wurden. Der Passauer Grünen-Landtagsabgeordnete Eike Hallitzky hat seine Beschwerde bei den Republikanern jetzt an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet. Dort prüft man, ob der Tatbestand der Beleidigung vorliegt. Mich interessiert natürlich, wie man sich als Politiker von einem anonymen, angemalten Arsch persönlich beleidigt fühlen kann. Deshalb rufe ich Eike Hallitzky an. Er erklärt mir, er fühle sich durch das Plakat als „grünes Arschloch“ beleidigt. Es richte sich gegen eine abgrenzbare Gruppe, nämlich die gewählten Landtagsabgeordneten des Freistaats Bayern. Ich bin ja eher skeptisch, ob dabei ein Verfahren herauskommt. Nachdem ich aber gesehen habe, wie ein Admin der offiziellen Republikaner-Facebookseite das Plakat in Bezug auf Claudia Roth kommentiert, kann ich mir es durchaus vorstellen:

Die Partei schlachtet ihre Idee auch in Form von Werbeartikeln („Arschkarten“ zum Verschicken) und einem „Arschmemory“ mit angeblichen „Wahllügen“ auf ihrer Website aus:

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Und dann gibt es da noch einen Slogan, der wirklich alles andere in den Schatten stellt: „Blau wählen“. Im Ernst. Eine Frau im Dirndl, daneben der Spruch: „Der Heimat zuliebe blau wählen“. Erst gerade fiel mir auf, dass das Oktoberfest am Tag vor dem Wahlsonntag beginnt – so macht alles Sinn. Die Republikaner sind drauf und dran, der APPD („Recht auf Rausch“) und der PARTEI („Das Bier entscheidet!“) den Rang abzulaufen.

Jetzt will ich natürlich wissen, wieviel Bier diese wunderschöne Wahlkampagne formte. Ich rufe in der Republikaner-Zentrale in Kissing an und werde sofort mit Johann Gärtner verbunden, dem stellvertretenden Bundesvorsitzenden und Wahlkampfleiter der Partei. Ein älterer Herr meldet sich mit gemäßigtem Dialekt.

Auf meine Fragen reagiert er meistens lachend, fast schon herzlich. Muss ja kein Widerspruch sein, dass dieser nette Mann ein Plakat verantwortet, auf dem Muslime vor einem Reichstag mit goldenen Kuppeln beten, auf dem „Dem islamischen Volke“ steht (Slogan: „Berlin 2030 – Das geht schneller, als Sie denken!“).

Da Gärtner immer etwas zu lange auf meine Fragen antwortet, habe ich Zeit, Bilder von ihm zu googeln. Bei Facebook stoße ich auf folgendes Plakat, auf dem er mit dunkelhäutigen „Neumitgliedern“ posiert:

Ich verstehe den Republikaner-Charme noch nicht ganz, aber wäre es nicht konsequent, wenn die drei nicht ihre Gesichter, sondern ihre Hinterteile zeigen würden? So schlagfertig bin ich in unserem Gespräch leider doch nicht, und ich frage erstmal, wer diese Kampagne zu verantworten hat. Gärtner spricht von einer „jungen Agentur“, deren Namen er nicht nennen darf. Gerade habe ich noch eine alte „Friends“-Folge geschaut, in der Joey an einer Rolle als Arschmodel für Al Pacino scheitert.

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Und jetzt unterhalte ich mich mit einem rechten Politiker über das Casten von Arschmodels.

Ob es Zufall sei, dass der grüne und der schwarze Arsch Cellulite haben, Rot und Gelb aber nicht? Man hätte die Geschlechtergleichheit wahren wollen, erklärt Gärtner mir. Die ohne Cellulite sind also männlich—ist es Zufall, dass SPD und FDP auch männliche Spitzenkandidaten haben? An Realismus dachte der Grafiker sicherlich nicht, denn Peer Steinbrück und Rainer Brüderle dürften von hinten ein wenig anders aussehen. Gärtner weist auch darauf hin, dass die Ärsche nicht nackt seien: „Wenn man genau hinschaut, haben die Leute Strings an. Das benutzen heute Millionen von Frauen, habe ich mir sagen lassen.“ Und die Frage, ob es nicht ganz schön inhaltsleer sei, stellt er sich gleich selber: „Wir hätten Plakate drucken können mit einer Kirche drauf—‚Wir lassen die Kirche im Dorf‘—, aber das haben wir alles schon gehabt.“ Er wirkt sehr zufrieden mit der Medienresonanz. Auf meine Frage, ob der Slogan „Blau wählen“ im Zusammenhang mit einem Dirndl nicht als Aufruf zum Komasaufen misszuverstehen sei, reagiert Gärtner gerade zu erheitert, stellt dann aber klar: „Seit unserer Gründung ist blau unsere Parteifarbe. Jeder, der unsere Partei nicht gut findet, wird das Haar in der Suppe suchen.“

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