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Interviews

Bane hören auf, weil sie verfickt alt sind

Die Straight-Edge-Hardcore-Legenden bringen ihr allerallerallerletztes Album raus. Wir haben mit ihnen gesprochen und streamen exklusiv einen Song vom neuen Album.

Die Straight-Edge-Hardcore-Legenden Bane hören auf, weil sie alte, zu nichts mehr zu gebrauchende, verfallende, ekelhafte Körperruinen sind. Zu einem letzten Interview hat sich Aaron Bedard gerade noch einmal aufraffen können, bevor er wieder in die Reha musste, um sich auf die letzte Tour vorbereiten zu können. Aaron hat uns erzählt, wer seine Helden sind und warum er immer noch Straight Edge ist. Außerdem schicken uns Bane exklusiv ihren Song „All the Way through“ von ihrem neuen und allerallerallerletzten Album aller Zeiten Don’t Wait Up zur Vorabpremiere.

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Noisey: Euch hat bestimmt jeder gefragt, warum ihr aufhört. Also mache ich das jetzt auch, du gibst mir aber eine andere Antwort als allen anderen.
Aaron Bedard: Weil wir verfickt alt sind und immer älter werden. Was wir machen, ist was für Kids und nicht alte Säcke wie uns. Es ist Zeit aufzuhören, bevor wir wirklich, WIRKLICH anfangen, uns lächerlich zu machen.

Hast du ein Geheimnis, das du noch nie in einem Interview erzählt hast? Jetzt wäre die Gelegenheit, das euren Fans mitzuteilen.
Ich habe niemals, auch nicht ein einziges Mal, mir eine Demo, eine CD oder eine 7“ angehört, die mir irgendwelche Kids bei unseren Shows gegeben haben. Ich habe die Platten einfach irgendwo versteckt, während wir auf Tour waren. Ich stelle mir gerne vor, wie sie vielleicht irgendwann von irgendwelchen Leuten gefunden werden und die sie vielleicht anhören. Und eure T-Shirts… Mann, ihr wollt gar nicht wissen, was ich mit denen gemacht habe.

Was sind denn deine Pläne für die Zeit nach dem Ende der Band?
Ich werde mir darüber ganz ehrlich erst Gedanken machen, wenn es wirklich so weit ist. So gehe ich mit den meisten schwierigen und beängstigenden Entscheidungen und Situationen um. Ich finde, ich bin dann am besten, wenn ich mit dem Rücken zur Wand stehe. Aber ich werde mir definitiv ernsthafte Gedanken machen müssen. Ich bin wirklich zu nichts zu gebrauchen, außer rumhängen, ausschlafen, Brettspiele spielen, Snacks essen, sich am Arsch lecken lassen und, zum Glück, pokern. Wenn irgendjemand da draußen jemanden anstellen will, der exakt eben genannte Fähigkeiten hat, bin ich dein Mann.

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Was hat denn der Rest von euch für Jobs, wenn ihr gerade nicht tourt?
Mir war nie ganz klar, was die eigentlich alle genau machen. Dilly führt Hunde aus. Ich habe diesen Winter damit verbracht, Poker bei Foxwoods und Mohegan Sun zu spielen und deren Büffets zu plündern. Was ist das Abgefuckteste, das euch auf Tour passiert ist?
Ich habe ein Bild einer Situation im Kopf, die ich einfach nicht loswerde. Wir waren auf Tour in Florida und gegen Ende des Sets einer der Bands kam eine Horde von Nazi-Skinheads in den Raum gestürmt. Riesige geistesgestörte Arschlöcher, die bewaffnet—einer hatte tatsächlich ein Schwert dabei—durch den Club rannten und alle angriffen. Es war ein totales Chaos. Ich hatte keine Ahnung, wo meine Bandkollegen waren oder ob es ihnen gut ging. Was ich aber wirklich nie vergessen werde, ist, wie diese irren Nazis den schwarzen Security-Typen an seinen Dreadlocks durch den Club zogen. Sie hatten ihm die Kleidung vom Leib gerissen, er war überall voll mit Blut. Ich habe keine Ahnung, was mit ihm passiert ist. Die Cops kamen irgendwann und verhafteten die Arschlöcher. Aber dieses Gefühl der absoluten Hilflosigkeit verfolgt mich bis heute. Ich hasse das.

Die nächste Frage wirkt jetzt fast banal… Ist irgendeiner bei euch in der Band noch Straight Edge? Und was hältst du von der Szene generell?
Dilly, Zach und ich sind immer noch Straight Edge und waren das auch von Anfang an. Auch unser neuer Bassist James Siboni ist stolzer Edger. Ich glaube, du würdest von jedem sehr unterschiedlich Antworten bekommen, was es für uns heute bedeutet, Straight Edge zu sein und wie wir die Bewegung insgesamt beurteilen. Es gibt schon einige ziemlich lächerliche, kleinliche und ahnungslose Typen in der Szene. Etwa irgendwelche Kids, die dir ins Gesicht brüllen, wie scheiße du bist im Vergleich zu ihnen, weil sie ja alles perfekt verstanden haben. Und acht Monate später sind sie aus der Szene verschwunden und folgen dem nächsten hippen Ding. Obwohl das natürlich auch etwas ist, das du bei allen Jugendbewegungen findest.

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Irgendwie ist das auch wieder liebenswert. Ein Haufen Kids, die sich an irgendetwas klammern, um sich halbwegs zurechtzufinden und durch harte Zeiten und eine raue Welt zu kommen. Manche bessern sich und finden Halt durch Straight Edge. Denn es gibt viele, die es als lebenslange Verpflichtung ansehen. Das zeugt von einem großen Mut und das finde ich sehr schön. Straight Edge macht dann Sinn, wenn es darum geht, dein Leben und deine Entscheidungen so solide wie möglich zu gestalten. Das Individuelle ist wichtiger als das oft kurzlebige Dazugehörenwollen zu einer großen Gruppe. Es freut mich immer junge Straight Edge-Kids zu sehen und vor allem in welche Richtung sie sich entwickeln werden. Es bleibt zu hoffen, dass sie so viel Gutes wie ich und ein paar meiner Freunde dadurch erreichen werden.

Euer Song „Wasted on the Young“, der auf eurer letzten Platte war, wurde von manchen als starke Kritik an der Straight-Edge-Szene interpretiert. Ist das richtig?
Wie gerade schon angesprochen, denke ich, dass es ein bisschen lächerlich ist, wenn jemand mit 16 glaubt, er habe alle Antworten und wüsste, worum es im Leben geht. Andererseits ist das ja gerade das Coole an diesem Alter. Es macht überhaupt gar keinen Sinn zu versuchen, ihnen das zu erklären. Sie wollen und müssen alles auf die harte Tour lernen und das ist großartig.

Als ich den Song schrieb, dachte ich viel darüber nach, wie wichtig dieses junge Alter für einen selbst ist. Wenn du Teenager bist, dann kannst du dir mehr erlauben, Fehler, die du machst, werden dir eher verziehen, du lernst ja noch. Also ist es wichtig, alles auszuprobieren. Versuch' rauszufinden, was wirklich zu dir passt, anstatt einfach nur blind der Herde zu folgen und das nachzuplappern, was du auf einem T-Shirt gelesen hast, ohne wirklich zu verstehen, wer du bist und wie du in Zukunft sein wirst. Wenn du älter wirst und die Welt ihren gestörten Druck auf dich erhöht, findest du dich dann leichter zurecht. Vor allem, wenn es auf einmal darum geht, sich perfekt anzupassen. Wenn du Straight Edge aus eigenen Stücken gewählt hast, dann kann dir diese Lebensweise gerade dann am besten helfen. Aber vielleicht auch nicht. Mein bester Kumpel hat mir letztens gesagt, „Scheiss auf Straight Edge. Das ist für 16-Jährige. Für sie wurde das erfunden und sie werden für immer die Bewegung am Leben halten.“ Manchmal verstehe ich ihn schon.

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Wovon handeln denn die Songs der neuen und damit letzten Platte Don’t Wait Up?
Wie alle Bane-Platten reflektieren die Lyrics, wo ich gerade in meinem Leben bin. Letztes Jahr, als ich anfing für die Platte zu schreiben, musste ich damit klarkommen, dass wir aufhören werden. Ich habe noch einen Freund verloren, der sich umgebracht hat, mein Körper geht langsam kaputt und viele weitere Dinge, die mich jahrelang gesund und glücklich gemacht haben, verschwinden langsam—oder sind schon längst verwest. Ich muss mich darauf einstellen, mich von dem zu verabschieden, was ich am meisten liebe in meinem Leben. Es ist wirklich schwierig, das alles in eins zu packen, aber ich habe es ehrlich versucht.

Hast du über die Jahre irgendwelche besonderen Unterschieden zwischen den Hardcore-Szenen in Europa und den USA bemerkt?
Klar. US Kids tanzen besser, sind besser im Stagediven und sind vor allem besser darin, sich ständig über alles und jeden Scheiß zu beschweren wie verzogene, unverschämte 5-Jährige. Die haben wirklich keine Scheißahnung, wie gut es ihnen geht und wie dankbar sie sein sollten. Aber fick mich, unsere Rapper und Hardcore-Bands sind einfach besser als eure. (Keine Ahnung, ob da ein Zusammenhang besteht.)

In Europa fühlt es sich so an, als gäbe es einen richtig engen Zusammenhalt in der Szene. Das große Ganze wirkt wichtiger. Jeder hilft mit. Die Leute sind selbstloser und helfen gerne. Eigentlich ist das eine arge Verallgemeinerung. Ich habe ein paar wirklich schockierend oberflächliche und hinterfotzige Typen in Europa kennengelernt. Wir touren seit etwa 15 Jahren in Europa und viele der Fans sind von Anfang dabei. Sie organisieren die Shows, kochen für die Bands, fahren die Vans. Das passiert in Amerika selten. Das Schöne an Europa ist, finde ich, dass du sehen kannst, dass die Szene für viele eine lebenslange Verpflichtung ist. Bei vielen Shows sind Typen mit grauen Haaren, denen es immer noch taugt, ihre Bands zu unterstützen und sich vom Rest am Arsch lecken zu lassen.

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Ich muss aber auch sagen, dass ich nirgends mehr Schwänze gesehen habe als in Europa. Außerdem scheint es ein europäisches Hobby zu sein, sich in jedermanns Sachen einzumischen und uns Amis davon abzuhalten, zu viel Spaß zu haben. Ach ja und ihr habt coolere Gebäude. Aber dafür hässlichere Sneakers und beschissene Softdrinks.

Amerikas Architektur kann nichts, das stimmt. Was war damals der Anlass, Bane zu gründen?
Ich kann mich recht gut an eine Unterhaltung mit Dilly erinnern, der Bane als Nebenprojekt zu Converge gründete. Wir wollten eine Band starten, die zeigt, wie geil Hardcore eigentlich ist. Dafür brauchst du viel Energie und eine positive Einstellung. Dann kommen dabei Songs raus, zu denen du einfach tanzen willst und die dich die 30 Minuten, die wir auf der Bühne sind und in denen wir alles geben, einfach wegbläst. Deshalb haben wir auch Chorusse, die sich gut mitsingen lassen. Diese magische Energie kann dir das Gefühl geben, dass du es mit der ganzen Welt aufnehmen kannst. Als wir Kids waren, waren diese 30 Minuten von den Bands, die wir gehört haben, alles für uns. Und das wollten wir den nächsten Generationen zurückgeben und dabei auch unseren Vorbildern Tribut zollen. Außerdem wollten wir auch immer jeden Teil sein lassen. Das war und ist uns sehr wichtig. Dass eben nicht nur die coolen Kids mitmischen dürfen. Wir wollten eine Band, die Hardcore auf derselben tränenfeuchten Ebene liebt, wie wir das auch getan haben … und eigentlich immer noch tun.

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Wer waren denn deine Helden?
Youth of Today haben alles für mich verändert. Ihre Ästhetik, ihre Einstellung. Und vor allem immer am Limit mit der Energie in ihren Songs. Keine Band hat das je nach ihnen erreicht. Minor Threat waren auch cool. Vor allem weil sie es geschafft haben, glaubwürdig nicht immer nur hart zu sein, und das auch für andere Bands dann ermöglicht haben. Burn haben ihre Liveshows so dynamisch gespielt, auf eine so großartige mythische Ebene gehoben, wie ich es oft versucht habe, auch für Bane zu erreichen.

Eine letzte Frage: Werdet ihr zurückkommen?
Ich ja. Irgendwie. Bane aber wird für immer verschwinden. Also kommt und verabschiedet euch von uns, bevor es zu spät ist. Und bringt Aaron eure Platten mit. Er hört sie sich auch gerne an.

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