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Lila Wolken über Deutschland —Young Kira im Interview

Young Kira ist einer von mehreren talentierten Rap-Newcomern aus dem Money Boy-Dunstkreis und gleichzeitig etwas ganz Besonderes.

Wenn man Young Kira beim Reden zuhört, glaubt man kaum, dass dieser 21-Jährige gerade mal eine handvoll Songs veröffentlicht hatm, so selbstbewusst und reflektiert wie er mit einem über Musik spricht. Vielleicht hat das was damit zu tun, dass der jungen noch gesichtslose Mann aus Lörrach trotzdem bereits von seinem Tun lebt, obwohl sein seit einiger Zeit angekündigtes Debüt-Mixtape Raigeki Vol. 1 (benannt nach einer Yu-Gi-Oh-Karte, die sämtliche Monster auf dem Spielfeld vernichtet) noch nicht mal erschienen ist.

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„Alles, woran ich momentan arbeite, hat mit Musik zu tun“, erzählte Young Kira mir im Skype-Gespräch vor wenigen Wochen. In seinem eigenen Tonstudio arbeite er tagsüber vor allem an Sounddesign-Aufträgen für zum Beispiel Werbeagenturen und Dokumentationen, sagt er weiter. Auch ein Rapper ist Young Kira nicht erst seit gestern. In seiner Heimat, der ländlichen Gegend kurz vor der Grenze zur Schweiz, tingelte er schon als Jugendlicher bei Freestyle-Veranstaltungen herum. Irgendwann fing er an, selber für Jüngere Battles zu veranstalten.

Klingt nach Typ mit MC Rene-Gedächtnisfrisur? Vielleicht. Ein Backpack-Rapper ist Young Kira aber keinesfalls. Einer seiner Songs bezieht seinen Titel vom Zelda-Videospiel Ocarina Of Time, seinen Künstlernamen ist an eine Figur aus der Anime-Serie Deathnote angelehnt. Hat was von Rockstah 2.0, ist aber tatsächlich ganz anders. Die größte musikalische Schnittmenge mit Young Kira besitzt vermutlich Lieblings-Flyboy LGoony. Ähnlich wie der Kölner hat auch Kira offensichtlich in der HipHop-Schule vor allem dann aufgepasst, wenn es um die Vorläufer der Trap-Welle, Clams Casino, die Sad Boys und den unvermeidbaren Money Boy ging. Die Three 6 Mafia bezeichnet er als eine seiner Lieblings-Rap-Gruppen.

Das, was er daraus macht, fängt gerade an von den ersten Durchlauferhitzern entdeckt zu werden. Neben diversen Kollegen der schreibenden Zunft, hat auch Casper Young Kira bereits öffentlich belobhudelt. So nebenbei: LGoony, Young Kira, Yung Hurn—die Liste der Künstler mit Cosign durch einen von Deutschraps größten Stars wird länger. Versucht sich da etwa jemand daran, hierzulande das zu sein, was Drake in den Staaten repräsentiert? Ein Tastemaker, der junge Talente per Handstreich ins Rampenlicht der Rap-Öffentlichkeit katapultiert? Es gäb' auf jeden Fall kaum jemand Passenderes für den Job.

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Aber zurück zu Young Kira, dessen bisher erfolgreichstes Video („Purple Rain“) bei YouTube mittlerweile weit über 100.000 Views steht. Für einen Künstler mit weniger als 10.000 Facebook-Likes, keiner Plattenfirma und keiner EP-, Mixtape- oder LP-Veröffentlichung ist das beeindruckend. Neben der schieren Qualität seiner Musik dürfte das auch was damit zu tun haben, dass Kira neben Benjamin Griffey noch mehr effektive Multiplikatoren auf seiner Seite hat. Das ist zum einen Money Boy (auch der ist mittlerweile in seiner Sub-Szene eine veritable Geschmacksinstanz) und zum anderen DAT ADAM. Sowohl die skurrile Kult-Figur, als auch die kommenden Stars, die die HipHop-Szene immer noch noch nicht so recht auf dem Zettel hat, ficken hart mit diesem Kira, um mal für einen Moment ins Swag-Idiom zu wechseln. Zu Recht: All das frühe Lob macht tatsächlich Sinn, da Young Kira es schon jetzt außergewöhnlich gut hinbekommt, seine aus Anime-Referenzen, Turnup-Sprech und Cloudrap-Sound zusammengesetzte Welt mit ziemlich eingängigen Hooks und mehr als ansehnlichen Rap-Skills zu veredelen. Young Kira ist definitiv am Moven.

Noisey: Deine Musik lässt sich nur schwer in der bestehenden Deutschrap-Tradition verorten. Bist du vor allem mit US-amerikanischem Rap aufgewachsen?
Young Kira: Na ja, ich hatte auf jeden Fall das Glück, einen großen Bruder zu haben, der doppelt so alt wie ich ist. Dank ihm habe ich schon als kleiner Junge Pantera, Beatles und Ramones zu hören bekommen. Dann irgendwann, so mit Neun, fing ich an, Blumentopf zu hören. Da kam dann zum Glück wiederum mein Bruder zu mir und sagte, mir, dass das gar nicht cool sei. Dann zeigte er mir Wu-Tang. Das ist voll die klischeehafte Story, aber der Wu-Tang Clan war tatsächlich sehr wichtig für mich.

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Seit wann nennst du dich Young Kira?
Das geschah so unbewusst, das kann ich gar nicht genau sagen. Vor ungefähr zwei Jahren kam ich mit Money Boy in Kontakt. Mein Kumpel Young Mokuba und ich haben den Boy eine Zeit lang auf Gigs supportet. Erst dadurch kamen wir dann auch auf den Trichter, das es cool wäre, eigene Musik zu haben, anstatt nur die Songs der anderen aufzulegen. Wenig später sah ich dann Death Note—ich bin ja bekanntermaßen großer Anime-Freak—und entdeckte, dass das die krasseste Serie überhaupt ist. Ich war damals so begeistert, dass ich mich nach der Hauptfigur (Kira, Anm. d. Red.) benannte. Dann nahmen Mokuba und ich zwei, drei Songs gemeinsam auf und daraus entstand dann dieser Hype. Der hat mich dann auch dazu angestachelt, ein bisschen ernsthafter into it zu gehen und so fing ich an an Raigeki Vol. 1 zu arbeiten. Von daher ist es natürlich krass, dass gerade alles so gut voran geht. Es wird aber auf jeden Fall noch weiter growen.

Bist du eigentlich Teil der Glo Up Dinero Gang?
Ich würde sagen, dass ich Affiliated Artist bin. Die Glo Up Dinero Gang ist ja eher ein offenes Movement, da fast alle von den Rappern aus diesem Umfeld nebenher noch ihren eigenen Grind am Laufen haben. Ich gehöre nicht wirklich zur GUDG, ich represente ja die Westghost Clique, also meine Gang. Trotzdem bin ich auf jeden Fall mit dem Money Boy-Swagmob down. Es ist alles pure Liebe.

Dieses gesamte Umfeld wirkt auf jeden Fall, als sei es auch eine bewusste Alternative zum Rest der deutschen HipHop-Szene. Kannst du dich mit der Rap-Welt identifizieren?
Nee. Vor allem wie sich die HipHop-Medien in den letzten Jahren entwickelt haben, finde ich grauenvoll. Dadurch, dass zum Beispiel HipHop.de immer mehr zu Rapupdate wird und ständig so Headlines wie „Dieser Rapper hat Drogen genommen. Klicke jetzt auf den Link, um zu sehen, was passiert“ bringt, bin ich echt ziemlich abgestoßen. Alter, das ist inzwischen echt alles für‘n Arsch. Ich habe überhaupt keine Lust, da irgendwo stattzufinden oder mit diesen Leuten nur im Entferntesten etwas zu tun haben.

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Kleiner Sprung: Du hast letztens ein gemeinsames Foto mit Dat Adam gepostet. Sind das Freunde von dir?
Das ist eine funny Story. Ich fing vor ein paar Monaten an, auf Twitter zu grinden, weil ich mir dachte: Okay, das muss man haben und ich bin auch jemand, der gerne seine Meinung aufschreibt. Irgendwann sah ich dann, dass mich da regelmäßig irgendwelche Leute in irgendwelchen Posts verlinkt und zitiert haben. Wie ich dann herausfand, waren das Taddl und Ardy von Dat Adam. Die beiden haben meine Mucke seit Tag eins abgefeiert. Schon, als wir einfach „Behind Blue Eyes“ gesamplet haben, waren die am Start. Allerdings hatte ich zunächst gar keine Ahnung, warum die beiden so viele Follower hatten. Erst als dann ungefähr zur selben Zeit die ersten Dat Adam-Singles erschienen, habe ich den ganzen Kontext verstanden.

Gefällt dir die Musik von Dat Adam?
Auf jeden Fall. Die haben ziemlich was drauf, die sind einfach dope und cool. Wir schreiben seit dem auch regelmäßig auf Whatsapp und sind coole Homies, schicken einander Beats und so. Die Jungs werden definitiv auch auf meinem Mixtape vertreten sein.

Dat Adam spielen bisher vor allem, natürlich wegen ihrer Vergangenheit als YouTuber, vor einem sehr jungen Publikum, das die aufgrund ihrer Youtube-Vergangenheit kennt…
Das stimmt, aber ich glaube, das wird sich noch herauskristallisieren. Wenn die Fans growen, dann kristallisieren sich automatisch irgendwann die echten Dat Adam-Fans heraus und ich glaube, das werden dann auch eine ganze Menge sein. Die machen ihren Job einfach gut.

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Worauf ich eigentlich hinaus wollte: Die Hörerschaft von Künstlern wie Money Boy ist in den letzten Jahren immer weiter gewachsen und Dat Adam haben Millionen von YouTube-Klicks. Glaubst du, dass diese beiden oder auch du in absehbarer Zeit in den Mainstream herüberschwappen könnten?
Klar, das könnte passieren. Aber für den kompletten Crossover müssten man wohl schon so Pitbull-Hits machen. Die Popindustrie besteht ja aus reinster Physik, da werden immer genau die Beats und Akkordfolgen benutzt, die früher schon mal funktioniert haben. Mal abgesehen davon hat aber natürlich gerade auch gefühlt jeder zweite Song in den Charts einen Trap-Drop mit drin und 2 Chainz rappt auf Katy Perry-Songs, was ich voll cool finde. Aber ob das mit diesen Cloud Rap-Sachen genauso laufen wird? Weiß nicht.

Dem sogenannten Cloud Rap wird nachgesagt, verdrogt und benebelt zu klingen. Außerdem handeln Songs von Rappern wie Money Boy häufig explizit von harten Drogen. Woher kommt das? Ist das authentisch, wenn deutsche Rapper andauernd von Koks und Hustensaft rappen?
Na ja, nehmen wir jetzt zum Beispiel meine engsten Goons: Dat Adam und Money Boy. Klar, wir müssen nicht auf der Straße aufpassen, weil wir ansonsten gekillt werden. Wir tragen auch keine Waffen und leben nicht in der Trap. Wir leben in Deutschland, uns geht es gut, aber den Lifestyle leben wir trotzdem. Es passiert schon mal, dass ich erst nachmittags aufstehe und dann einen Swisher rauche. Gerade die Dat Adam-Jungs leben den Lifestyle total, die sind voll die Jetsetter geworden. Die machen hier Stuff, da Stuff. Money Boy ist auch jedes Mal bei Shows voll turnt, dann Codein und so. Das ist schon auf jeden Fall real. Die nehmen sich das von den Vorbildern aus Chicago oder Atlanta und machen es nach. So war das schon immer. Ob das jetzt so verachtenswert ist, finde ich fragwürdig. Guck dir mal die ganzen Achtziger-Bands an: die haben sich Heroin gespritzt. Dagegen sind wir mit unserem Lean und unserem Weed nicht so schlimm.

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