Michse bin als Jar Jar Binks bei der Vienna Comic Con 2015 gewesen
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Michse bin als Jar Jar Binks bei der Vienna Comic Con 2015 gewesen

Ich wurde von Gustavo Fring aus „Breaking Bad" gewürgt, von Stormtroopers bedroht und von Kindern verehrt.

Dieses Wochenende erfüllte sich auf der Vienna Comic Con der feuchte Traum von über 15.000 Fans von Anime, Manga, Comics, Videogames und allen anderen Formen der Unterhaltung, die sich irgendwie als Kostüm abseits von „Sexy Krankenschwester" umsetzen lassen. Und zugegeben, auch mein Hoserl war ein bisschen nass, als ich erfahren habe, dass eine richtig offizielle Comic Con nach Wien kommt.

Da ich mich schon für die Vienna Fashion Week in Schale geworfen habe und auch sonst seltsamen Veranstaltungen nicht abgeneigt bin, durfte auch die Vienna Comic Con auf meiner Jagdliste nicht fehlen—aber natürlich nur mit Cosplay-würdigem Outfit.

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Da ich weder weiß, wie man aus Karton einen Mech-Suit baut, noch unbedingt eine Anzeige wegen Wiederbetätigung riskieren wollte, habe ich meine ursprüngliche Idee verworfen, als Robo-Hitler zu gehen, und durch den vielleicht einzigen noch verhassteren Charakter ersetzt: Jar Jar Binks.

Meine Jar Jar Binks Maske, die eigentlich eine Pferdemaske ist.

Da ein gutes Cosplay monatelange Vorbereitungszeit und jede Menge Handwerk verlangt, habe ich meinen Mangel an guter Planung und hohem Budget einfach mit einem erstklassigen Bodypainting von Weltmeisterin Birgit kompensiert und mit ihrer Hilfe eine zwei Tage vorher gekaufte Pferdemaske in eine täuschend echte Jar Jar Maske verwandelt.

Warum Jar Jar Binks mehr Menschen hassen als Kanye West, die Teletubbie-Sonne und den Typen, der den Preis eines Aids-Medikaments um 5000 Prozent hochgekurbelt hat zusammen, weiß niemand so genau. Oft muss der gute Jar Jar einfach als Sündenbock für alles Schlechte an den Star Wars-Prequels herhalten, mit denen George Lucas einen großen Banta-Kackhaufen auf sein einst makelloses Film-Vermächtnis gesetzt hat. Manchmal ist es aber auch einfach nur die altbekannte Troll-Dynamik unter Comic-Nerds, die Menschen in den Pranger-Spaß einstimmen lassen.

Vielleicht ist George Lucas auch einfach nur Buddhist und sieht sein Gesamtwerk als eine Art Mandala, das ja bekanntlich damit endet, dass man es nach langer Arbeit wieder wegwischt und ungeschehen macht. Oder er ist selbst der größte Troll des Universums, wer weiß.

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Deadpool-Gruppenkuscheln. Eines der beliebteren Cosplays überhaupt.

Die Meinung der VIECC-Besucher zu Jar Jar war jedenfalls ziemlich einheitlich. Von „Ich mag ihn einfach nicht" über „Ich mag DICH nicht", bis hin zu „I find erm schirch" und einem entrüsteten „Sowas macht man einfach nicht, nein, NEIN" waren sich die meisten einig, dass der Charakter einfach viel zu albern war, um abseits einer Fernsehserie innerhalb des Spongebob-Universums zu existieren.

Im sozialen Netz gingen die Meinungen zu meinem Cosplay gingen hingegen von „mutig" über *schallendes Gelächter* bis hin zu einem kopfschüttelndem „Es muss einfach Grenzen geben".

Wenn es darum geht, seinem Hass Ausdruck zu verleihen, wird auch schon mal kreativ aufgetrumpft. Bei der Comic Con haben mir die Besucher dann dementsprechend gerne ihre Knarren, Blaster, Lichtschwerter und sonstige Waffen an die Gurgel gehalten.

Gewürgt wurde ich auch ziemlich oft—wobei ich fairerweise förmlich danach gebettelt habe. Damit meine ich, dass ich Leute gefragt habe, ob sie Jar Jar Binks eigentlich gerne würgen würden; und verständlicherweise wollten mir die meisten der Befragten ihre Antwort lieber nonverbal geben. Am besten gewürgt hat mich Giancarlo Esposito aka Gus Fring (Breaking Bad, Do The Right Thing und vieles mehr), der nach 25 Euro Fotokosten und meiner eigenwilligen Frage/Bitte ordentlich zugegriffen hat.

Ich wurde von Gustavo Fring gewürgt und es war geil.

Wer darauf steht, dass mit dem Finger auf ihn gezeigt und alle 5 Meter um ein gemeinsames Foto gebeten wird, der ist bei der Con jedenfalls auf seine Kosten gekommen. Ein als Geralt of Rivia verkleideter Typ meinte passend zu seinem Charakter aus Witcher 3, dass ich eine, Zitat, „Abomination" sei und erzählte mir dann stolz, dass das schon seine 176. Foto-Anfrage wäre.

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Aber auch abseits der Besucher gab es jede Menge zu bestaunen: Da gab es Games-Stationen, Zeichen-Stuben und einen kuriosen Shop mit Katzenflauschbällen, Bananen mit Gesichtern und lebensgroßen Polstern voller halbnackter Manga-Mädchen—und das sind nur die erstbesten Dinge, mit denen man sich die totale Reizüberflutung Tentsuo-gleich in den eigenen Metabolismus laden konnte.

Ich weiß nicht, was das ist und warum ich es mir nicht gekauft habe.

Neben gefühlten Tausend Star Wars-Fans, Trekkies, Deadpools und Drachenmüttern so weit das Auge reicht, gab es auch eine Cosplay Competition, bei der die Cosplayer alle freundschaftlichen Verhältnisse untereinander kurz beiseite gelegt haben und von einer internationalen Jury im Stile von Germany's Next Topmodel ordentlich unter die Lupe genommen wurden.

Je näher ich der Halle kam, umso größer wurde die Dichte an Pelz-, Plastik und Kartonrüstungsträgern—unter ihnen auch ein Zeitgenosse in selbstgeschmiedetem Gummi-Power Armor der „Brotherhood of Steel" aus Fallout 4, der mir seinen Hydraulik-Hammer zur näheren Begutachtung nach allen Regeln der Kunst ins Gesicht gedrückt hat. Nicht ganz unerwarteter Weise nahm mit der Dichte an Profis auch der Hass gegenüber meiner Jar Jar-Pferdemasken-Verkleidung zu.

Der Kollege in der Fallout 4-Rüstung hat mich übrigens auch gewürgt, allerdings nicht so gut wie Giancarlo Esposito. Ich gebe ihm trotzdem 4 von 5 David Carradines für seinen Power-Griff und sein grenzgeniales Outfit.

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Die Fallout Crew. Mit Nuka-Cola und dem Hydranten-Hammer durchs Ödland.

Ein Videointerview und zwei Tanzeinlagen später ging es vorbei an den letzten Cosplayern—dank Pressepass ohne Anstellen (sorry, not sorry)—und direkt zum großen Wettbewerb inklusive Hype-DJ. Wie mir Insider bereits vorher verraten haben, gibt es einen 3 Meter großen Transformer, der so ziemlich jeden Wettbewerb gewinnt, an dem er teilnimmt. Und als der Robo-Dude dann auf die Bühne gestapft ist und zirka 300 Leute kollektiv ausgeronnen sind, wusste ich, warum.

Spätestens hier wurde mir richtig bewusst, wie viel Arbeit in jedes einzelne Cosplay fließt und wie geil ich das eigentlich alles finde. Wer aus Moosgummi und ein bisschen Plastik Roboteranzüge und filmreife Rüstungen schafft, kann kein schlechter Mensch sein.

Die meisten Leute schenkten mir keinen Glauben, als ich von der Fan-Theorie erzählte, dass Jar Jar eigentlich der Oberbösewicht der Prequels ist. Einzig ein Typ am Klo des Pressebereichs war anderer Meinung: Nachdem er mich fragte, wo mein Lichtschwert ist—ich habe mich hier am Herrenklo stark zusammengerissen, nicht den aufgelegten Penis-Witz zu machen—, meinte er überzeugt, dass wir nicht das Letzte von Jar Jar gesehen haben.

Da ich sonst für gewöhnlich nie Zugang zu irgendwelchen Pressebereichen habe, ließ ich es mir nicht nehmen, mir noch ein zweites Paar Gratis-Frankfurter in die Pferdemaske zu schieben. Danach ging es mit dem Gefühl, fast ein Celebrity zu sein, ab in die eiskalte U-Bahn, wo ich mich noch dem ein oder anderen verwirrten Blick ausgesetzt habe, je weiter ich von der Comic Con entfernt war. „Da ist bestimmt irgendeine Kostümparty". Ja, fast.

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Ich weiß nicht, ob mich das Internet ruiniert hat oder dieser Typ ein richtiger Furry ist. Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen.

Für mich hatte die Comic Con jedenfalls so ziemlich alles, was ich mir erhofft hatte. Durch die Nasenlöcher meiner Pferdemaske habe ich mehr abgefahrene Cosplays gesehen als in den letzten 2 Jahren Kino- und Serienkonsum zusammen und wurde öfter gewürgt als die Protagonistin aus 50 Shades of Grey.

Ein DJ mit Fuchsohren hat irgendwelche Dubsteb-Lieder aufgelegt und alle sind ausgezuckt, 1 Meter kleine Stormtrooper haben mir ihre Blaster ins Gesicht gedrückt (zu Recht), zwei Sailor-Moon-Mädls wollten sich nicht an mich ranschmeissen, weil sie "Lesben sind und das Out of Character wäre" (auch zu Recht, aber sadface!) und ein kleines Mädchen hat mich angesehen, als wäre ich der Weihnachtsmann. Best. Day. Ever.

Überhaupt hab ich mich ein bisschen so gefühlt wie ein großer Muffin beim Diabetiker-Treffen—jeder wollte ein Stück vom Kuchen, der nachweislich niemandem gut tut. Noch nie wurde ich so oft gefragt, ob ich für ein Foto zur Verfügung stehe, auch wenn ich nicht wissen will, mit welcher Hassbotschaft in All Caps die Leute meine Visage gepostet haben. Berühmt war ich trotzdem kurz. Vielleicht sollte ich öfter eine Maske tragen.

Würgt Adrian auf Twitter: @doktorSanchez

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