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Dinge, die noch zu tun sind: Tatort abschaffen.

Spoiler-Alarm: Solltest du vorhaben, dir diesen Tatort jetzt noch als Wiederholung oder im Internet anzuschauen (Spoiler-Alarm: Es lohnt sich nicht!), und willst du dabei noch mitfiebern, lies nicht weiter.

Schlecht. Peinlich. Absurd. Billig. Fremdscham.
Nur einige Dinge, die mir zum gestrigen Berliner Tatort - Dinge, die noch zu tun sind einfallen. Was hat sich das Autorenteam dabei nur gedacht? Ganz offensichtlich hatten sie keine Ahnung von Berlin, Drogen oder vom Schreiben.
Das spießige Bürgertum erzählt uns also etwas über Drogen. Und bedient sich dabei jedes Klischees, welches hierzulande darüber existiert.
Fiese Drogenbosse mit zu engen Hosen und pastellfarbenen Sakkos aus den 70ern? Check.
Besorgte Muttis in der Reihenhaussiedlung? Check.
Teenagerbanden, welche offenbar wahllos Leute vermöbeln? Check.
„Einer dachte, er kann fliegen, und sprang aus dem Fenster. Jetzt ist er tot.“ Check.
Der Berliner Tatort versprüht den Charme eines Drogen-Aufklärungsfilm aus den 80ern. Alles wirkt ausgedacht, schlecht recherchiert und hat absolut nichts mit dem Berliner Drogenalltag zu tun. Erwachsene Menschen erzählen hier Fantasiegeschichten aus der großen, bösen Hauptstadt.

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Worum geht es?
Ein arbeitsloser (war ja klar, der Asi) Chemiker hat sich ein geheimes Drogenlabor in seinem Loft eingerichtet und vertickt jetzt die neue Designerdroge HEAVEN über seinen Webshop. HEAVEN?! Wo sind wir denn hier? In einer Brandenburger Dorfdisco? Wieso das Drogenlabor trotzdem geheim ist und wie die Droge wirkt, bleibt ein Rätsel.
Der Tatort wurde im Sommer 2012 in dem Glauben gedreht, ein brandaktuelles Thema zu bearbeiten. Legal Highs waren in aller Munde und aller Nase und man war am Puls der Zeit. Der Chemiker wird umgebracht, Schock. Die Kommissare besuchen seinen Partner in dessen Büro am Potsdamer Platz. Ich wusste gar nicht, dass es dort noch Menschen gibt. Weitere Fieslinge sterben, Drama, Jugendliche werden als Teaser ausgenutzt und süchtig gemacht. Zum Schluss gibt es noch ein unerwartetes Ende ohne jeden Sinn. Die energische und erfolgreiche Kommissarin Melissa Mainhard aus dem Rauschgiftdezernat ist natürlich persönlich betroffen, ständig am Flennen, Mutter, außerdem noch schwer an Krebs erkrankt, und verliebt sich in den männlichen Macho-Kollegen Till Ritter von der Mordkommission. Bitch, please. Ich erwarte nicht viel von deutschem Fernsehen. Nur das vielleicht: Bitte liebe Tatort-Autoren, belegt einen Gender-Kurs und kommt endlich im Jahr 2012 an.

Die Drogenkids wirken allesamt so, als hätte man sie direkt von einer Waldorfschule im Grunwald gecastet. Lieb, blond, harmlos. Sie hängen auf Basketballplätzen ab, tragen komische Klamotten, die entfernt an Hipster erinnern und hören HipHop. Außerdem wirken sie alle komplett dumm und sind anstrengend naiv, besonders die Kinder der Kommissarin. Es ist so peinlich, ich habe Mühe, nicht zu kotzen. Auch sonst werden altbekannte Fehler hier gerne aufgegriffen. Denn NATÜRLICH wird dem Zuschauer gezeigt, wie die Polizeiarbeit im Drogendezernat abläuft, indem die Frau Kommissarin die Drogen, die sie im geheimen Drogenlabor findet, dem Gesetz des Klischees folgend selber probiert. Is klar, so ein kleiner Rausch vor der Mittagspause hebt die Stimmung und das Essen in der Kantine schmeckt so auch viel besser. Und natürlich rennt sie mit gezogener Waffe ihrer eigenen Tochter hinterher. Mit dem Finger am Abzug. Und natürlich versenkt sie Drogen im Kanal. Ich bin froh, als der Spuk endlich vorbei ist. Verschenkte Lebenszeit, Tatort als Folter. Jetzt könnte ich eine Nase voll HEAVEN gut gebrauchen. Aber wahrscheinlich ist das Zeug eh der letzte Mist.

Fotos: ORF/ARD/Volker Roloff