FYI.

This story is over 5 years old.

Stuff

Eine Doku über den nichtexistenten Superman-Film von Tim Burton und Nicolas Cage

Was ist aus „Superman Lives“ geworden? Jon Schnepp hat einen Dokumentarfilm über die wahre Geschichte hinter dem gescheiterten Projekt gedreht.

Ende der 90er Jahre, lange bevor Christopher Nolan das Superheldengenre umgekrempelt hat, waren Tim Burton, Kevin Smith und Nicolas Cage schon im Begriff, dasselbe zu tun. Leider drehte Hollywood den Geldhahn zu, bevor irgendjemand einen Blick auf ihre filmische Vision—eine radikale Neuinterpretation des Superman-Mythos—erhaschen konnte.

Regisseur Jon Schnepp (Metalocalypse, The Venture Bros) und die Produzenten Holly Payne und Heather Piper sind fest entschlossen, den Schleier der potentiell besten Superman-Geschichte, die nie jemand gesehen hat, zu lüften. In ihrer Doku The Death of Superman Lives: What Happened? befragt Schnepp Regisseur Tim Burton, Drehbuchautor Kevin Smith, Kostümdesignerin Colleen Atwood und zahlreiche andere Beteiligte, die jahrelang an einem Projekt gearbeitet haben, das nie fertig gestellt wurde. Ich habe mit Jon Schnepp über das revolutionäre Potenzial von Superman Lives und den Kummer von Hollywood gesprochen.

Anzeige

VICE: Was fasziniert dich so an dem Thema?
Jon Schnepp: Ich wollte einfach wissen, weshalb dieser Film letzten Endes nicht entstanden ist. Wenn ich schreibe oder Regie führe, vertraue ich immer meinem Bauchgefühl. Ich weiß einfach, dass meine Nerd-Brüder im Geiste meine Motivation verstehen werden, solange ich Spaß an der Arbeit habe. Ich konnte einfach nicht verstehen, weshalb Hollywood den Geldhahn zugedreht hat. Wo die Produktion doch schon so weit fortgeschritten war. Ich meine, wir sprechen hier immerhin von Tim Burton, dem Mann, der Batman neu erfunden hat. Dem Mann, der Superhelden wieder salonfähig gemacht hat. Und Nicolas Cage, der ja damals ein großer Star war. Er avancierte vom Charakterdarsteller zum Actionheld, hatte Rollen in The Rock und Con Air. Und dann wäre es eben Superman gewesen.

Alle paar Monate schaute ich nach, ob neue Illustrationen oder ähnliches veröffentlicht worden waren. Ich habe einfach nach Superman-Conceptart gesucht und immer ein oder zwei Zeichnungen gefunden. Über die Jahre wurde immer mehr veröffentlicht—auf MySpace und Facebook. Die Künstler, die an dem Film mitgearbeitet hatten, veröffentlichten ihre Sachen nach und nach. Dann veröffentlichte Kevin Smith seine Version des Drehbuchs. Jon Peters veröffentlichte eine Illustration einer riesigen Spinne, die im Film hätte zu sehen sein sollen. Es tauchte immer mehr auf. Schließlich veröffentlichte Steve Johnson ein Video des ausgeleuchteten Superheldenkostüms: Das S war aus Diamanten!

Anzeige

Welche Frage stellen dir die Leute am häufigsten, wenn sie von deinem Projekt erfahren?
„Tim Burton? Der ist komisch, oder?” Jeder will das wissen! Dabei ist er ein richtig netter Kerl, sehr intelligent und mit einem großartigen Sinn für Humor.

Jon Schnepp im Interview mit Regisseur Tim Burton. Bilder mit freundlicher Genehmigung von Jon Schnepp

Du hast jetzt schon eine ganze Weile im Animationsbereich gearbeitet, aber noch nie eine Doku gemacht. Was hat dich dazu bewogen jetzt damit anzufangen?
Ich war bei einer Show von Die Antwoord bei Meltdown Comics, bei der ich zufällig Steve Johnson traf. Das ist der Mann, der Slimer erfunden hat! Er ist einfach unglaublich. Sein Name kam mir bekannt vor, also habe ich ihn gegoogelt, als er gerade im Bad war. Ich fand heraus, dass er an Superman Lives mitgearbeitet hatte, und fing an, ihm alle möglichen Fragen zu stellen. Er fand das ziemlich cool. Ich ging dann mit ein paar Freunden in ein Thai-Restaurant gegenüber vom Meltdown und konnte nicht aufhören, von dem Supermankostüm zu sprechen, das Johnson entworfen hatte. Ich beschrieb meinen Freunden, was ich im Internet gefunden hatte. Irgendwann sagte einer: „Hey, wenn dich der Film so fasziniert, dann dreh doch eine Doku darüber.” Zu der Zeit wollte ich das nicht. Ich hätte ja gar nicht gewusst, wo ich anfangen soll. Aber die Idee hat mich nicht losgelassen. Das war Ende 2012. Ich dachte mir: Hey, du solltest den Film wirklich drehen! Es ging weniger darum, dass ich dachte, so schwer könne das ja nicht sein. Ich dachte eher, wenn ich es nicht machen würde, würde niemand diesen Film drehen.

Anzeige

Also hast du dich bei Kickstarter registriert und den Stein ins Rollen gebracht. 
Ja, das war perfekt. Ich brauchte ohnehin eine Pause von der Animation. Bei Zeichentrickfilmen Regie zu führen, kann sehr zeitaufwändig sein. Also habe ich mich für das Superman-Projekt entschieden. Wir haben ein Pitch zusammengestellt, online Bilder zusammengesucht und die Kickstarter-Seite zusammengestellt. In der ersten Woche haben wir 35.000 Dollar einsammeln können! Das war eine Bestätigung, da wusste ich, dass die Menschen diesen Film wirklich sehen möchten. Aber dann wurde Kickstarter richtig anstrengend. Es frisst unglaublich viel Zeit. Dauernd musst du deine Freunde, Verwandten, Kollegen daran erinnern, dass sie es auf Facebook posten. Es war mit sehr viel Aufwand verbunden. Dauernd musste ich Fragen wie „Und warum sollte ich dir jetzt 25 Dollar geben?” beantworten. Ich konnte nur sagen: „Weil dieser Film richtig cool wird!” Alles in allem war Kickstarter aber die beste Option. Es ist ein merkwürdiges Projekt, aber ich mag es. Es ist kreativ und gibt dir eine gewisse Flexibilität.

Jon Schnepp im Interview mit Lorenzo di Bonaventura, dem Produzenten von Superman Lives

Was hast du während der Arbeit gelernt?
Ich bin davon ausgegangen, dass es sieben Monate dauern würde, den Film zu drehen. Jetzt sind schon achtzehn Monate vergangen und wir führen immer noch Interviews. Noch dazu müssen wir drei Monate lang jeden Tag filmen. Ich habe die ganze Zeit gesagt: „Bis zur Comic Con bin ich fertig!”

Anzeige

Dann ist uns das Geld ausgegangen und wir mussten ein zweites Crowdsourcing-Projekt ins Leben rufen. Als wir nach England geflogen sind, um mit Tim Burton zu sprechen, hatte ich keinen Cent mehr. Und wir wussten ja auch nicht, ob wir Burton überhaupt würden filmen dürfen. Er hatte uns gebeten, einfach mal vorbei zu kommen. Nach fünf Minuten war er aber überzeugt. Wenn man bedenkt, wann wir mit dem Projekt angefangen haben, haben wir ewig gebraucht, um Tim Burton und Kevin Smith mit ins Boot zu holen.

Was fehlt noch, um den Film fertig zu stellen?
Na ja, ich hätte den Film schon vor einer ganzen Weile fertigstellen können, aber ich dachte mir: wenn schon, denn schon. Ich habe immer noch nicht mit allen sprechen können, mit denen ich Interviews führen möchte. Menschen, die wesentlich an Superman Lives beteiligt waren. Deshalb habe ich auch die zweite Crowdsourcing-Kampagne ins Leben gerufen. Es war ziemlich schwer, die Leute davon zu überzeugen, uns noch mal zu unterstützen. Die Leute aus der Produktion haben immer wieder gefragt, welcher der schnellste Weg sei, den Film fertig zu bekommen. Mit solchen Menschen möchte ich mich nicht auseinander setzen. Ich brauche jemanden, der fragt: „Wie soll es werden? Wie wird es richtig gemacht?” Und dann liefern wir ab. Das war ein Weckruf für mich. Ich will keine Kompromisse eingehen müssen.

Kann ich verstehen.
Ich musste dann geschlagene 45 Tage auf Twitter und Facebook zubringen und die Werbetrommel rühren. In der Zeit habe ich nicht am Film arbeiten können. Aber irgendwie habe ich es doch hingekriegt, in der Zeit zwei Interviews zu führen.

Anzeige

Das ist das interessante an der Medienbranche. Du bist immer dabei, anderen zu erklären, wie der Hase läuft. Ich sollte mal ein Musikvideo drehen, damals in Chicago. Ich habe 12.000 Dollar für das Projekt bekommen. Meine Freunde waren begeistert. Es hieß nur: „Whoa, Schnepp zahlt die nächste Runde!” Dabei habe ich an dem Video nichts verdient. Das ganze Geld ging an die Besetzung und die Crew. Bei der Doku war für mich die entscheidende Frage: „Wann kommst du an Kevin Smith und Tim Burton heran?” Das war am Anfang gar nicht so einfach.

Jon Schnepp im Interview mit Kostümdesignerin Colleen Atwood

Glaubst, es gibt auch nur die geringste Chance dafür, dass der Film doch noch fertig gestellt werden könnte? Wenn Tim Burton dazu bereit wäre?
Ich glaube nicht, dass dieser Film heutzutage eine Chance hätte. Er passt nicht mehr in unsere Zeit. Er wurde ja in den späten 90ern produziert. Damals gab es außer Batman, Batmans Rückkehr und Batman & Robin kaum Superheldenfilme. Ich glaube, wir leben im Moment in einer Welt voller Nostalgie.

Außerdem gibt es keine endgültige Version von Superman Lives. Es gibt drei verschiedene Drehbücher, die zwar im Kern dieselbe Geschichte haben, aber trotzdem sehr verschieden sind. Kevin Smith hat ein Drehbuch mit Jon Peters geschrieben. Als Tim Burton dazu kam, hat er Wesley Strick eingestellt. Die Künstler wiederum haben Kevins Version als Grundlage für ihre eigenen Entwürfe genommen. Jede Version ist also anders. Lex Luthor kommt aber in allen drei Versionen vor, genauso wie ein riesiges Ding, das die Sonne verdeckt. Im Dokumentarfilm geht es für mich darum, das zu zeigen, was der Film nie hätte werden können, eine Verschmelzung aller Ideen. Ich will jede Version zeigen. Ich möchte zeigen, was aus diesem Film hätte werden können.

Anzeige

Das ist meine Herangehensweise: Es soll eine Zeitreise werden. Wir kommen beide aus der Zukunft, lass uns über die Zeit von vor 15 Jahren sprechen. Du bringst deinen Erfahrungsschatz mit und hast deine ganz eigene Perspektive. Ich habe z.B. mit Colleen Atwood gesprochen. Seit Superman Lives hat sie drei Oscars gewonnen und ist für zehn nominiert worden. Sie hat an anderen Filmen mitgewirkt und richtig tolle Sachen gemacht. Das traurige ist ja, dass fast alle Menschen, die an diesem Film beteiligt waren, wirklich daran geglaubt haben. Sie bedauern es alle, dass er nicht gedreht wurde. Mir hat es wirklich Spaß gemacht, mit ihnen über den Film zu reden, mir von ihren Erfahrungen erzählen zu lassen, zu sehen, wie viel Kreativität hinein geflossen ist. Es war irgendwie kathartisch.

Na ja, das ist eben Hollywood—bis zum Schluss ist nichts hundertprozentig sicher.
Burton hat zwei Jahre lang an Superman Lives gearbeitet. Er sagte mir: „Der Film ist ja quasi fertig. Er wurde nur nie gedreht.” Ich bin selbst Regisseur, ich weiß genau, was er meint. Du erstellst das Szenenbuch, machst die Designs, die Schauspieler waren schon gecastet, das Set gebaut. Man muss so viel Arbeit hineinstecken, bevor man überhaupt zu drehen anfängt. Ein Film ist immer ein Gemeinschaftsprojekt. Du arbeitest mit so vielen Menschen daran und transformierst es.

Das sieht man gut an den ersten Entwürfen von Superman Lives. Die Dinge wären geändert worden, besonders die Designs aus Kevins Version. Wäre der Film 1999 in die Kinos gekommen, wäre er ein Riesenerfolg geworden. Er war nicht so düster wie Burtons andere Filme. Er wollte das Fliegen so zeigen wie es auf der Leinwand noch nie gezeigt worden ist. Cage hatte auch tolle Ideen—er wollte Superman als Außenseiter darstellen, als Nerd. Diese Seite war so noch nie an einem Superhelden gezeigt worden.

Supermann war ein bisschen wie das Kind, das immer allein in der Ecke steht und ausgelacht wird. Nur wäre das eben dadurch zugespitzt worden, dass er von einem anderem Planeten kommt. Dieses Motiv siehst du in allen Filmen von Tim Burton. Er sagte mir, er habe sich als Kind in Burbank immer wie ein Außerirdischer gefühlt. Nicolas Cage war in der Hinsicht auf einer Wellenlänge mit Burton. In den ersten Entwürfen für das Kostüm wurde er noch ausgelacht, aber in der filmreifen Version sah er krass aus. Ich habe ein Foto davon auf meinem Handy und zeige es immer herum. Selbst der größte Skeptiker sagt, dass es super ist. Das macht mich glücklich. Die Leute ändern ganz plötzlich ihre Meinung.

Es ist sehr schwer, diese Typen bei den Conventions zu erreichen und zu überzeugen. Aber, wenn man begeistert ist, kann wohl niemand mehr was dagegen haben.
Genau. Mit dieser Einstellung bin ich an den Film rangegangen: „Ich mache mich nicht lustig.” Je mehr ich herausfinde, desto deutlicher wird für mich, dass das ein außergewöhnlicher Film geworden wäre. Ich meine, es ist ja sehr leicht, sich über etwas lustig zu machen. Ich wollte die vorgefertigte Meinung, die über diesen Film herrscht, ändern. Die Leute waren überzeugt, dass der Film richtig schlecht geworden wäre. Ich wollte sie dazu bringen, genauer hinzukucken und zu sagen: „Wow, schaut mal, wie großartiger es hätte werden können!”

Mehr über The Death of Superman Lives gibt es auf dieser Facebookseite.