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Popkultur

Als Darknet-Kritiker bekommt man Drogen geschenkt

Wir haben mit HydroBlowBack gesprochen, der in seiner Zeit als Drogen-Rezensent täglich Kokain, Heroin und andere illegale Substanzen im Wert von mehreren tausend Euro zugeschickt bekommen hat.
Jamie Clifton
London, GB

Collagen: Marta Parszeniew

Es macht Sinn, sich Bewertungen zu etwas durchzulesen, bevor du es konsumierst. Wenn es sich dabei aber um Drogen handelt, ist eine richtige Vorbereitung kaum möglich—die Typen, die diese kleinen Briefchen verteilen, neigen nicht dazu, dir zu verraten, mit wie viel Borsäure ihr Kokain gestreckt wurde. Wenn du deine Drogen jedoch online auf Deepweb-Marktplätzen wie Silkroad 2.0, Agora oder Evolution kaufst, dann kannst du genau nachlesen, wie euphorisch dich dein MDMA machen wird, was japanische Happy 5s sind und warum du sie nehmen solltest.

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Der produktivste Reviewer in den Foren von Agora und Evolution war ein Brite mit dem Usernamen HydroBlowBack (HBB). Während seiner Zeit als Bewerter bei verschiedenen Online-Händlern, wurden HBB Drogen im Wert von mehreren tausend Euro zugeschickt—und das kostete ihn nicht einen Cent. Er erhielt die Ware meistens in gemischten Tüten, die einige Standard- und einige seltene und ungetestete Drogen enthielten. Ich würde euch jetzt hier ja gerne die Links zu seinen Reviews geben, aber dafür ist das Tor-Netzwerk von Nöten und das ist wieder eine ganz andere Geschichte. Deshalb müsst ihr euch jetzt mit unserer Mail-Unterhaltung begnügen (aus offensichtlichen Gründen wollte HBB anonym bleiben).

VICE: Hi HBB. Wie lange musstest du Reviews schreiben, bis man dir kostenlos Zeug zuschickt hat?
HydroBlowBack: Zuerst habe ich für jede Bestellung bezahlt, bis ich eines Tages einen Händler—später habe ich auch etwas bei ihm gekauft—anschrieb und fragte, ob ich eine kleine Probe Crystal Meth haben könne. Er bejahte dies sofort und am nächsten Tag kam eine komplett kostenlose Kostprobe Meth bei mir an. Ich wollte mich irgendwie bedanken und bot deshalb an, eine Review zu schreiben.
Das habe ich dann ein paar Mal so gemacht und man nahm langsam Notiz von mir. Ich gab auch an, jegliche Droge zu bewerten—das war gut für die Händler mit mehreren Produkten, weil sie mir einfach ein Paket zusammenstellen konnten, über das ich dann ein Review schrieb. Nach einer gewissen Zeit hatte ich schon einige „Anhänger", die auch manchmal Kommentare zu meinen Berichten schrieben. Ich war dafür bekannt, meine Reviews mit einer gewissen Ernsthaftigkeit anzugehen, und genau das wollen die Leute auf solchen Portalen sehen.

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Hast du so eine Sendung trotzdem noch jedes Mal in die Wege leiten müssen, als das Ganze schon an einem Punkt angekommen war, an dem dir große Pakete zugeschickt wurden?
Ich schrieb oft eine Nachricht mit Infos zu meiner Person, meiner Tätigkeit und mit einem Link zu meiner Review-Seite. Mit der Zeit wussten die Händler dann, wer ich bin und wollten in regelmäßigen Abständen, dass ich für sie Berichte schreibe.

Wurdest du oft abgewiesen?
In ein paar Antworten wurde gesagt, dass ich ja nur um Drogen bettle und so weiter. Ich sah das Ganze jedoch eher als Service für die Händler und die Kunden. Eine meiner letzten Reviews wurde fast 2000 Mal angeklickt—ich habe also scheinbar schon ein wenig Aufmerksamkeit bekommen. Häufig kontaktierten die Verkäufer auch mich, damit ich für sie Drogen teste und nur ihnen meine Meinung mitteile, sonst niemandem. Oft wurden mir auch mehr Drogen zugesagt, wenn ich gewisse Sachen teste.

Welche Drogen wurden dir zugeschickt?
Entschuldige, wenn ich jetzt ein paar vergesse. Man muss auch bedenken, dass ich von den beliebten Drogen wie Kokain, Crystal Meth, Heroin und MDMA von verschiedenen Händlern auch verschiedene Ladungen probiert habe. Insgesamt waren es 37 Substanzen, angefangen bei Crack, LSD, Heroin, Marihuana und Methaqualon, bis hin zu einigen Forschungschemikalien, Zeug namens 3-Meo-Pcp und japanischen Happy 5s.

Was glaubst du, wie viel war das Ganze insgesamt wert?
Das ist unmöglich zu berechnen. Ich kann nur sagen, dass es in die Tausenden ging—eine ganze Menge, um es mal so zu sagen. Je nachdem, was ich verlangt habe, kam manchmal täglich ein Paket, fünf Pakete oder gar kein Paket an. Ich glaube, das Meiste waren mal acht Pakete in einer Lieferung.

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Du hast das ja alles umsonst bekommen. Wolltest du deswegen auch mehr Drogen nehmen?
Ja, auf jeden Fall. Ich war genauso süchtig danach, zu sehen, über was ich als nächstes schreiben würde, wie nach den Drogen selbst. Ich verbrachte wirklich übermäßig viel Zeit in diesen Foren und Marktplätzen und schrieb mit den Leuten und arrangierte Reviews. Letztendlich wurde das Ganze richtig problematisch für mich.

Hast du bei deinen Reviews eine bestimmte Droge bevorzugt?
Mit den Reviews wollte ich keine bestimmte Sucht befriedigen, das war einfach nur eine Abhängigkeit vom Drogenmissbrauch selbst. Wenn sich mal die seltene Gelegenheit ergab, einen Bericht über Ketamin zu schreiben, dann war das ein Bonus, weil ich zu der Zeit von K und Alkohol abhängig war. Normalerweise habe ich mehr Kokain-, Heroin- und Meth-Reviews geschrieben, da diese meiner Meinung nach neben MDMA und Cannabis die drei beliebtesten Drogen sind. Deswegen wollten die Händler dafür immer eine gute Kritik haben.

Wird das Ganze irgendwie zu einem Trend, also dass die Leute nach kostenlosen Proben für Reviews fragen?
Ja und nein. Versteh mich jetzt nicht falsch, viele Leute schreiben auch mal eine Review, manchmal auch mehrere, aber da war niemals irgendwie eine Konstante da. Es gab nie diesen einen Kritiker—darin sah ich meine Chance.

Mir fiel auf, dass ein Typ wegen einem deiner Reviews ziemlich angepisst war—kam so etwas oft vor?
Ja, ich machte mir viele Freunde, aber auch viele Feinde. Ich geriet mit so ziemlich jedem Ketamin-Händler von dort aneinander, weil ich einen angeblichen Betrüger reviewt habe, der eigentlich gar kein Betrüger war—sie wollten einfach nur seinen Namen in der Schmutz ziehen und die Konkurrenz ausschalten. Es gab kindische Hass-Threads über mich und die Leute benutzten auf anderen Marktplätzen meinen Nickname, um anderen Usern etwas vorzuspielen.
Einmal kam im Agora-Forum ein Gerücht auf, dass ich und ungefähr acht andere Leute ein und dieselbe Person und die Besitzer von Agora sind und meine Reviews nur zur Vertuschung des Ganzen dienen. Total verrückt. Aber seien wir mal ehrlich: Wenn man eine Menge Drogendealer und -konsumenten in einem nicht moderierten Forum aufeinander los lässt, dann wird das Ganze irgendwann eskalieren—und das tut es auch regelmäßig.

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Was war der Höhepunkt deine Review-Phase?
Es war immer am schönsten, am Morgen die ganzen Pakete aufzumachen und zu schauen, was mir da geschickt wurde. Das beste Päckchen, über das ich ein Review schrieb, bestand aus 10 Gramm Speed und acht Gramm MDMA. Auch sehr gut fand ich eine Lieferung mit drei Miffy 2C-B Pillen, Kokain mit einer Reinheit von 85 Prozent, zwei LSD-Pappen, MDMA und zwei verschiedenen Ecstasy-Pillen. Ganz schlimm war dieser Typ, der mir aus Italien eine Kostprobe S+ Isomer-Ketamin zuschickte und dann war da nicht mal genug für eine Line drin. Ich fragte ihn, wie viel er mir geschickt hätte und er meinte, dass es genug für eine Nacht sei.

Wenn man deine Reviews liest, dann fällt auf, dass diese irgendwie in Schüben kommen—erst eine ganze Menge, dann wieder eine Zeit lang gar keine.
Das lag an der Menge an verschiedenen Drogen, die ich nahm. Zu dieser Zeit konsumierte ich auch noch regelmäßig Ketamin und Alkohol und wegen der Art der Drogen (vor allem aufputschende Mittel wie Crystal Meth, die mich auch mal mehr als zwei Tage lang wach halten können), über die ich schrieb, entschied ich mich dafür, meine Berichte stoßweise zu veröffentlichen. Ich kontaktierte einen ganzen Haufen Händler und musste danach eine oder zwei Wochen wieder runterkommen. Danach konnte ich wieder Reviews anfertigen.

Was denkst du über die Deepweb-Drogenmärkte? Ich nehme an, dass es dir gefallen hat, ein Teil davon zu sein.
Das Ganze hat viele positive, aber auch viele negative Seiten. Ich bin an viele Drogen gekommen und musste mich dafür nie wirklich mit einer anderen Person treffen—somit gab es kein Risiko, bei so einem Tausch verletzt zu werden. Online kosten die Drogen oft mehr, aber man bekommt auch was für sein Geld. Heroin-Überdosen werden oft durch die Streckung der Dealer verursacht—im Vereinigten Königreich liegt die durchschnittliche Reinheit von Heroin bei 30 bis 40 Prozent, auf den Darknet-Märkten kriegst du bis zu 90 Prozent.
Ich habe auch keine Ahnung, bei wem ich da bestelle, ob ich überhaupt etwas bekomme oder ob die Lieferung auch wirklich die angepriesene Ware ist.

Genau, hattest du eigentlich nie Angst, dass da etwas schief gehen könnte? Warst du allein, als du ungetestete oder härtere Drogen genommen hast?
Manchmal habe ich mir deswegen Sorgen gemacht und du kannst auch noch so ein gutes Auge für Drogen haben, du weißt nie genau, wie gestreckt die Ware ist. Ich habe mal auf eine Ladung Heroin allergisch reagiert und musste das auch in meiner Review erwähnen, weil das ein ernsthaftes Gesundheitsrisiko darstellt und viel schlimmer hätte ausgehen können. Bei neun von zehn Reviews war ich allein—das ist mit viel Risiko verbunden und ich empfehle, das nicht zu tun. Die Sache ist die: Wenn die Sucht erstmal Überhand gewinnt, dann verschwindet die Vorsicht und du gehst Risiken ein. Das ist nicht klug und es passiert immer etwas—ich hatte einfach nur Glück, dass ich abspringen konnte, bevor etwas Schlimmes geschehen ist.

Warum hast du dich dazu entschieden, die Reviews sein zu lassen?
Ich ließ die Reviews sein, um mit den Drogen aufzuhören. In meinem Leben haben sich einige Dinge ergeben und ich musste ein paar Mal ins Krankenhaus. Meine Depression und meine Angstzustände wurden unerträglich schlimm. Des Weiteren starb einer meiner sehr guten Freunde, als er ähnliche Dinge wie ich gemacht hat. Das alles hat mich erkennen lassen, dass ich keinen Spaß mehr hatte, allgemein extrem drogensüchtig war und Hilfe brauchte.
Ich ging wieder zu meiner örtlichen Drogenberatungsstelle und zog es dieses Mal wirklich durch. Morgen bin ich seit einem Monat frei von jeglichen Drogen und ich werde mich Ende nächsten Monats für zwei Monate in eine Entzugsklinik begeben. Dann werde ich hier freiwillig bei der Drogenberatung das Arbeiten anfangen—ich hoffe, dass ich ein Berater werde und mit meinem Wissen und meiner Drogenerfahrung anderen helfen kann, die sich in einer ähnlichen Situation befinden, wie ich sie erlebt habe.

Das ist schön zu hören. Danke, HBB.