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Der PR-Guru des Papstes 

Papst Franziskus beeindruckt die Welt derzeit mit großen Gesten und Nähe zu den Menschen. Das hat vielleicht viel mit seinem PR-Berater zu tun—ein typisch fröhlicher Amerikaner, der eigentlich Sportclub-Berater werden wollte, aber derzeit den Vatikan...

Greg Burke, der PR-Chef des Papstes, bei seinem Vortrag auf dem Weltkommunikationstag. Foto via Catholic Church England and Wales.

Anfang des Monats unterbrach Papst Franziskus seine Generalaudienz auf dem Petersplatz, um einen schwer entstellten Mann zu begrüßen und zu küssen. Danach segnete er ihn auch. Fotos von dieser Szene gingen viral—sie zeigten, wie Franziskus seine Augen im Gebet schloss und das Gesicht des leidenden Mannes in die Hände nahm. Viele betrachteten die Bilder als Echo von Jesu Heilung der Leprakranken—las man überall danach.

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Dies war eine von vielen Gesten, die den Papst in letzter Zeit auszeichneten. Im Laufe der letzten Monate rief der Papst unangemeldet bei Gläubigen zu Hause an; er gründete ein Cricket-Team im Vatikan, verkleidete sich mit einer roten Clown-Nase (und einem Feuerwehrhelm) und alberte herum; er erlaubte einem kleinen Kind, ihn während einer Ansprache zu umarmen und versprach, das Kind einer Frau zu taufen, die sich dem Druck ihres Partners widersetzte, das Kind abtreiben zu lassen.

Papst Franziskus distanzierte sich von den Ansichten seiner konservativeren Kollegen, als er kürzlich andeutete, dass „auch Atheisten“ erlöst werden können—zudem beteuerte er, dass er schwule und lesbische Katholiken nicht verurteile. Durch diese neue, gemäßigtere Linie und clevere Online-Marketing-Kampagnen verzeichnete der Papst im letzten Monat 10 Millionen Twitter-Follower—damit landet er knapp hinter Kanye West.

Weit und breit sprechen Beobachter von einem „Franziskus-Effekt“.

Jeder moderne Medienstar braucht einen PR-Apparat, und Papst Franziskus bildet hier keine Ausnahme. Und schon kommt Greg Burke ins Spiel. Der 53-jährige Amerikaner wurde zum Betreuer des Heiligen Stuhls berufen (die offizielle Berufsbezeichnung lautet: Kommunikationsberater des vatikanischen Staatssekretariats) und greift nun sang- und klanglos in die Abläufe der Vatikanstadt ein.

Für einige mag Burke ein ungewöhnlicher Kandidat für das Amt des päpstlichen Image-Beraters gewesen sein: Burke ist ein Laie ohne PR-Erfahrung, ein typisch fröhlicher Amerikaner mit einem Hang zu Sportanalogien. Außerdem ist Burke Mitglied der kontroversen katholischen Organisation Opus Dei; er ist ein Traditionalist und ein Zölibatär und zu seiner spirituellen Praxis gehören angeblich auch Selbstgeißelungen. Doch nach fast eineinhalb Jahren im Vatikan kann man sagen, dass Burke maßgeblich zur Verjüngung des päpstlichen Rufes beigetragen hat. Burke selber würde natürlich sagen, dass Franziskus das alleine geschafft hat. „Ich spiele dem Papst den Ball zu“, erklärte Burke kürzlich bei einem Vortrag in London. „Denn es ist der Papst, der die Tore schießt. Der Papst schießt die Tore für uns … Und die Leute schätzen seine Taten.“

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Die Amtszeit von Papst Benedikt XVI. war von Skandalen übersät: 2006 hielt Benedikt seine berüchtigte Regensburger Rede, in der er eine hochumstrittene islamkritische Äußerung zitierte und Muslime auf der ganzen Welt verärgerte. Drei Jahre später beschloss er, die Exkommunikation eines Bischofs rückgängig zu machen, der den Holocaust geleugnet hatte. 2010 kämpfte die Kirche mit einer neuen Welle von Pädophilie-Vorwürfen. Dann kamen die Affären um die umstrittene Vatikanbank und „Vatileaks“. Außerdem war der Papst unbeliebt. „Benedikt lächelt nicht“, erzählte mir eine junge Italienerin Anfang des Jahres, die in einem Touri-Laden am Petersplatz arbeitet. „Er ist zu deutsch!“

Im Juni 2012 warb der Vatikan Greg Burke ab. Er lebte in Rom und arbeitete damals für den US-Nachrichtensender Fox News. Burkes Aufgabe bestand darin, sich um „Kommunikationsangelegenheiten“ zu kümmern und die vielen Medienorgane des Vatikans unter einen Hut zu bringen, erklärte ein Vatikansprecher. Burke selbst sagte, dass er angestellt wurde, „um Meldungen zu formulieren und möglichst sicherzustellen, dass alle bei diesen Meldungen bleiben.“

„Ich weiß, wonach Journalisten suchen und was sie brauchen“, erklärte Burke bescheiden gegenüber Presseleuten, „und ich weiß, wie Dinge in den Medien dargestellt werden müssen.“

Die eingesessenen Vatikankenner zeigten sich optimistisch. „Alle glauben, der Vatikan sei so etwas wie die NSA oder die CIA“, erzählte mir David Gibson, ein Bekannter von Burke, der bei der US-Nachrichtenagentur Religion News Service arbeitet. „Man glaubt, dass es sich um ein effizientes, gut geführtes Gefüge handelt. Aber im Grunde ist es wie ein italienisches Dorf mit all diesen kleinen Lehnswesen … Es ist ein erstarrtes, sehr traditionsgebundenes System, das sich kaum als System bezeichnen lässt. Ich denke, dass jemand wie Greg dort helfen kann.“

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[Burke hat meine Interviewanfrage abgelehnt, die ich letzten Monat an den Heiligen Stuhl gefaxt (!) habe: „Ich kann kein Interview geben, weil sich mein Job vor allem hinter den Kulissen abspielt und ich versuche, dass das auch so bleibt.“]

Greg Burke wuchs als „bodenständiger Katholik“ in St. Louis, Missouri auf: Er war der Sohn eines Kinderarztes und hatte fünf Geschwister. Die Kirche war von Burkes Zuhause zu Fuß erreichbar und prägte einen Großteil seiner Erziehung. Als er auf die St. Louis University High School kam, in der „der Einfluss durch die Jesuiten sehr stark war“, dachte Burke darüber nach, Priester zu werden; „aber ich fühlte nicht die Bestimmung.“

Nach dem College studierte Burke Journalismus an der Columbia University in New York. Später arbeitete er als Polizeireporter bei einer kleinen Zeitung in New York, dann als Wetterreporter in Chicago. 1988 zog er nach Rom und fing an, für das amerikanische National Catholic Register zu schreiben und später fürs TIME Magazine. Dann arbeitete er schließlich zehn Jahre lang als Korrespondent für Fox News. Burke berichtete über den Vatikan, aber reiste für seine Arbeit auch durch Europa und den Nahen Osten.

Als Journalist wies Burke ein scharfsinniges Verständnis der päpstlichen Politik auf—auch wenn er manchmal am Ziel vorbeischoss. Kurz bevor Kardinal Josef Ratzinger zum Papst Benedikt XVI. gewählt wurde, behauptete Burke, dass Ratzinger gar kein richtiger Kandidat war. „Er wird als zu konservativ angesehen“, erklärte Burke und merkte an, man würde Ratzinger den „Panzer-Kardinal“ nennen, „weil er so viele Schläge eingesteckt hat“.

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Obwohl er heute eines der bekanntesten Gesichter des Vatikans ist, bleibt Burke seiner typisch amerikanischen Art treu. Auch auf Twitter ist er aktiv.

Auch prägnante, „witzige“ Bemerkungen beherrscht er gut. „Ich dachte eigentlich, dass ich Fox mal für einen Football-Verein verlassen würde“, erzählte er in diesem Jahr einem Auditorium voller Journalisten. „Jetzt bin ich im Vatikan gelandet. Keine Freikarten für Football-Spiele—aber echt gute Plätze an Weihnachten und Ostern.“

Dieser Sportler-Humor durchzieht Burkes tiefsitzenden Glauben. Als 18-Jähriger trat Burke der umstrittenen Opus-Dei-Bewegung bei—und wurde später zum „Numerarier“: Er gab das Versprechen zum Zölibat und zum Singledasein ab und zog schließlich in ein spirituelles Zentrum der katholischen Laienorganisation. Traditionellerweise üben die Opus-Dei-Numerarier normale Berufe aus, so wie es auch bei Burke der Fall war. Einen großen Teil ihres Einkommens geben sie jedoch an die Organisation ab. „Ob ich angestellt werde, weil ich bei Opus Dei bin?“, fragte sich Burke 2012. „Es könnte eine Rolle gespielt haben.“

Foto von Loren Sztajer.

Man sagt, dass Opus Dei zunehmend an Einfluss auf den Vatikan gewinnt. Nicht-Katholiken wissen das vielleicht am besten aus Dan Browns Bestsellerthriller Sakrileg, in dem der Katholikenbund als schattenhaft und ruchlos dargestellt wird. Die kontroverse Organisation wurde in den 1920ern gegründet—mit dem Ziel, die Vorstellung zu fördern, dass jeder Katholik (nicht nur Priester) zur Heiligkeit berufen ist und „Gott im Alltag entdecken“ kann. Es dauerte mehrere Jahrzehnte, bis die Gruppe von der katholischen Kirche anerkannt wurde—inzwischen ist Opus Dei eine offizielle katholische „Prälatur“ mit etwa 90.000 Mitglieder.

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„In Sachen Kommunikation ist Opus Dei großartig“, erklärt David Gibson vom Religion News Service und verweist auf die Tatsache, dass der langjährige Sprecher von Papst Johannes Paul II. ebenfalls Mitglied von Opus Dei war. „Bei dieser Sakrileg-Sache haben sie großartige Arbeit geleistet.“

Seit Burke die PR-Leitung übergeben wurde, haben sich die Dinge langsam weiterentwickelt. Die Presseabteilung des Heiligen Stuhls will nun offener sein. Neuerdings gibt es englische Newsletter für Journalisten, und Sprecher stehen schneller für Reaktionen bereit. Burke träumt von einem Vatikan mit einer Struktur wie bei den Vereinten Nationen, auf deren Website man „für jeden Kontinent einen Sprecher und dessen Handynummer [findet], falls man ein Interview braucht, sowie freies Videomaterial“. Momentan schließt die Presseabteilung des Heiligen Stuhls jedoch bereits um 15 Uhr.

Der Vatikan bewegt sich langsam auf eine digitale Medienstrategie zu. Papst Franziskus fing nach der Einstellung von Burke erstmals an zu twittern (@Pontifex). „Er twittert, was er twittern will“, behauptete Burke, als der Account freigeschaltet wurde. Aber „der Papst wird nicht mit einem Blackberry oder einem iPad durch die Gegend laufen“.

Im Vatikan kündigte sich diese Modernisierung schon seit Längerem an. Bereits 2002 fing der Päpstliche Rat für die sozialen Kommunikationsmittel an, Anleitungen zu veröffentlichen, wie man das Internet entsprechend der katholischen Tradition verwenden kann. 2009 hielt Papst Benedikt XVI. Katholiken dazu an, den „digitalen Kontinent“ zu betreten—und rief einen vatikanischen YouTube-Kanal ins Leben. Ein Jahr später bei der Generalversammlung der US-Bischofskonferenz führte Ronald Paul Herzog, Bischof von Alexandria, seine Kollegen in die Benutzung der neuen Medien ein. „Er fing damit an, zu zeigen, dass die Neuen Medien nicht nur eine Modeerscheinung, sondern eine starke Kraft sind“, schrieb ein Kardinal über den Vortrag. Unlängst hielt Papst Franziskus seine erste englische Ansprache—in der er ankündigte, dass „Jesus in der Welt der Politik, der Wirtschaft, der Künste, der Wissenschaft, der Technologie und der sozialen Medien bekannt“ werden solle.

Unter der Anleitung von Burke ging der Vatikan in die PR-Offensive: Anstatt sich nur anlässlich von Katastrophen zu Wort zu melden, verschicken sie vermehrt positive Nachrichten. In den letzten Monaten bewies Burke seine Fähigkeit, religiöse Lehren mit Imagepflege zu kombinieren. Im Oktober wurden seine „10 Dinge, die man über Papst Franziskus wissen muss“ zum Medienerfolg. Auf Bildern von Papst Franziskus „sollte ein Warnhinweis stehen“, schwärmte Burke. „Achtung: Dieser Mann könnte Ihr Leben ändern.“

Wie bei allen guten PR-Beratern ist es schwer zu sagen, welchen Anteil Franziskus selbst an dem „Franziskus-Effekt“ hat und wie viel davon nur PR-Arbeit ist. „Ich würde Papst Franziskus nicht als großen Redner bezeichnen“, sinnierte Burke. „Diese Bezeichnung fände ich abwertend … Ich würde ihn einen großen Christen nennen.“