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Popkultur

Jihad-Selfies: Britische Extremisten in Syrien lieben Social Media

Nachdem sie in Syrien angekommen sind, scheinen die tourenden Dschihadisten aus Großbritannien ein ziemlich gutes Leben zu haben. Irgendwie erinnert das Ganze an Männerurlaube, nur mit mehr Waffen und Märtyrertum.

Nachdem die syrische Rebellengruppe ISIS (Islamische Staat im Irak und al-Sham) im November vom al-Qaida-Führer Aymann al-Zawahiri öffentlich gefeuert wurde und aus Versehen einem Kämpfer ihrer Hauptverbündeten den Kopf abschlug, kann man mit einigem Recht sagen, dass die PR-Kampagne der Terrororganisation in den vergangenen Wochen etwas in Mitleidenschaft gezogen wurde. Wie jeder halbwegs anständigen Extremistengruppe ist es auch dem ISIS daran gelegen, diese Ausrutscher wiedergutzumachen. Aufgrund des speziellen Umgangs mit Journalisten erweist sich eine traditionelle Presseerklärung jedoch als schwierig. Deshalb versucht es die Gruppe nun, wie viele andere vor ihr, mit sozialen Medien.

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In den vergangenen Wochen waren ausländische Kämpfer des ISIS und seiner Untergruppe, der Muhadschirin-Brigade, eifrig damit beschäftigt, Selfies auf Instagram, Facebook und Twitter hochzuladen, um ihre Sache publik zu machen und weitere Rekruten für den syrischen Jihad zu gewinnen. Die Bilder eröffnen einen ebenso bizarren wie faszinierenden Einblick in die am meisten gefürchtete und am wenigsten verstandene Rebellengruppe Syriens.

Offiziell existiert die Muhadschirin-Brigade getrennt vom ISIS, doch einige Kommentatoren betrachten sie als Frontgruppe der größeren Jihadistenvereinigung. Einige Hinweise in den sozialen Medien scheinen diese These zu unterstützen.

Dieses Bild zeigt den britische Kämpfer Ibrahim al-Mazwagi im Gefecht mit Omar Shishani, einem georgischen Tschetschenen, der früher die Muhadschirin-Brigade anführte und jetzt ISIS-Militärkommandeur in Nordsyrien ist.

Al-Mazwagi wurde im Februar im Alter von 21 Jahren bei einem Gefecht getötet. In dieser Collage werden er und sein ebenfalls gefallener Freund Abu Qudama als Märtyrer verehrt.

Hier zwei weitere neue Märtyrer aus Großbritannien: Choukri Ellekhlifi, 22, und Mohammed el-Araj, 23. Die beiden werden in einem Internetcafé in Atmeh gezeigt, einer syrischen Grenzstadt, die sich mittlerweile fest in der Hand des ISIS befindet. Nach ihrem Tod postete ein anderer britischer Kämpfer diese glühende Hommage an el-Araj auf Facebook: „Dieser Bruder braucht nicht vorgestellt werden. Alle, die ihn kannten, wissen, dass er immer für seinen Din [Religion, Glaube] gearbeitet hat! Er hatte die besten Manieren, er kam mit einem Bruder auf die Welt und verließ die Welt mit dem Bruder! Die beiden waren eng befreundet und die Besten in ihrer Klasse. Schon innerhalb eines Monats waren sie zu Kommandeuren befördert worden und brachten anderen etwas bei! Sie heirateten und verließen ihre Frauen nach einer Woche, um Fī sabīli Llāh [auf den Wege Gottes] zu gehen, weil sie nicht einfach herumsitzen konnten, während die Ummah [Gemeinschaft der Muslime] in diesem Staat war! Sie waren streng zu Ungläubigen und demütig gegenüber denjenigen, die La Ilaha ill Allah [der erste Teil des Glaubensbekenntnisses: „Es gibt keinen Gott außer Gott“] hauchten. Es machte ihnen nichts aus, mit Muslimen zu diskutieren, selbst wenn sie im Recht waren! Sie stachen unter den besten Jihadkämpfern hervor! Möge Allah der Allmächtige, der Allwissende, der Höchste, der einzige und absolute Herrscher, der König aller Könige all ihre Mühen anerkennen und ihnen ihre Sünden vergeben, möge er uns mit ihnen zusammenführen und jene, die zurückgeblieben sind, Stärke geben, möge er uns alle der Haqq [Wahrheit] treu bleiben lassen und SEINE, Allahs, süße Freuden empfangen, bis ER, der Höchste, uns anblickt und lächelt! Friede und Segen dem besten aller Menschen, unserem geliebten [Propheten] Mohammed, seiner Familie und der Sahaba [Gefährten und Begleiter Mohammeds]. Mein Bruder, der vor uns am Ziel angekommen ist. Wir kommen bald, insha ALLAH ta'la.“ Die zahlreichen Tode von britischen und anderen europäischen Jihadisten—auf die sich die nachfolgenden Märtyrerehrungen beziehen—widerlegen zumindest teilweise Behauptungen der vergleichsweise säkularen FSA-Rebellen, dass der ISIS und seine Verbündeten, wenn überhaupt, nur selten gegen das Regime kämpfen:

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Die Anschuldigung, dass der ISIS lieber gegen andere Rebellen als gegen das Regime kämpft, scheint die Organisation empfindlich getroffen zu haben. Zumindest veröffentlichte sie daraufhin Filmmaterial von heftigen Kämpfen auf ihrem offiziellen Vimeo-Account.

Gleichzeitig liest man auf britischen Social-Media-Profilen von Kämpfen gegen die FSA-Gruppe Ghuraba al-Sham, die bei der syrischen Bevölkerung wegen ihrer Erpressungen, Plünderungen und Raubzüge in Verruf gerieten.

Auf diesem Foto sieht man das Gold, das nach dem jüngsten erfolgreichen Angriff auf Ghuraba al-Sham von den „Kriminellen“ erbeutet worden sein soll. Später wurden die Kommandeure der Gruppe hingerichtet, wie man in diesem verstörenden Video sehen kann.

Dieses Internetcafé in Atmeh taucht immer wieder in den Posts auf und suggeriert ein relativ normales Leben der Jihadisten abseits der Front. In ihrem Rekrutierungseifer sprechen britische Kämpfer häufig von Syriens „5-Sterne-Jihad“ und fordern die daheim gebliebenen Landsleute auf, sich ihnen—so lange es noch möglich ist—anzuschließen.

Ein britischer Facebook-Account macht sich über Warnungen der Polizei vor der Reise nach Syrien lustig:

„Das gibt die Polizei den Leuten, von denen sie glaubt, dass sie nach Syrien reisen könnten, lool, dass ich nicht lache!! … Es bedeutet, dass sie im Moment nichts ausrichten können … Daher das Wort „Interesse“ lol.“

Der selbe Account macht sich darüber lustig, wie einfach ausländische Jihadisten über die türkische Grenzen nach Syrien gelangen.

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„Wer glaubt, dass er da rüber springen kann??? … Subhan'ALLAH … ein einstündiger Flug von Istanbul, 30 Minuten Fahrt von Hatay und bing bang boom bist du drinnen!!“

Auf einem anderen britischer Jiihadisten-Tumblr heißt es, die türkischen Grenzwächter hätten ihnen bei der illegalen Einreise nach Syrien geholfen—auch wenn die Türkei die Unterstützung von Jihadisten-Gruppen kürzlich geleugnet hatte (die Anmerkungen in runden Klammern stehen im Original).     „ein großes Armeefahrzeug der türkischen Armee erschien von der Grenze, die wir überqueren wollten. Auf dem Fahrzeug war ein Maschinengewehr, dazu ein Soldat, der es in seiner Kontrolle hatte, und zwei weitere Männer im Inneren. Ein paar Brüder dachten, das wär’s gewesen, dass wir Märtyrer oder verhaftet werden würden. Ich hingegen war seltsamerweise gelassen und zufrieden. Sie befohlen uns, aus dem Auto zu steigen und unser Gepäck zu öffnen. Sie fragten, ob wir von der jaysh al-hur [Freie Syrische Armee] wären, aber wir sagten: Nein, wir sind für die sadaqah [wohltätige, freiwillige Aufgabe] hier, und wir haben nicht gelogen, da es nicht in unserer Absicht lag, irgendetwas mit der jaysh al-hur (Freie Syrische Armee) zu tun zu haben, da viele von ihnen murtadūn (Abtrünnige) sind. Der Kommandeur überlegte, ob er uns zurückschicken oder uns über die Grenze lassen sollte, aber sobald unser Fahrer sagte, dass wir Briten sind, lächelten sie und waren begeistert, dass wir da waren. Das Traurige war zu sehen, dass sie den Din (die Religion/den geraden Weg) liebten, aber den tawagheet (tyrannischen Herrschern) die Treue geschworen hatten. Nachdem sie unser Gepäck durchsucht und ein Paar Handschuhe als Geschenk genommen hatten (sie ließen uns keine Wahl), durften wir weitergehen. Unsere Freude war unübersehbar, wir strahlten so sehr, dass sie ebenfalls lächelten. Dennoch ließen sie das Fahrzeug, in dem wir saßen, umdrehen und wegfahren, sodass wir zu Fuß über die Grenze gehen mussten.“ Nachdem sie in Syrien angekommen waren, schienen die tourenden Jihadisten aus Großbritannien ein ziemlich gutes Leben zu haben, mit Essenslieferungen aus der Heimat …

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Süßigkeiten aus dem Westen….

Und ein paar Villen, in denen sie wohnen durften.

Irgendwie erinnert das Ganze an Männerurlaube. Ebenso wie ihre Landsleute in Kavos oder Magaluf müssen auch die britischen Jihadisten keine ausländische Kost wie Tabbouleh oder Hummus verdauen. Stattdessen kriegen sie Pizza …

Und Kebab:

Ein Kämpfer berichtet von der Stimmung des Männerausflugs: „Wir leben gut, AL-HAMDULILLAH! Ich habe ein paar Fotos von meinem Haus hochgeladen, um euch zu zeigen, wie Allah für uns im gesegneten Land Shaam gesorgt hat! Ich möchte anmerken, dass es sich hierbei nur um mein Haus handelt, das nur ein Schlafzimmer hat … Andere haben mehr als fünf Schlafzimmer, Swimmingpools usw..“ _Nochmals AL-HAMDULILLAH für den EINEN, der hier draußen für uns sorgt, denn ER weiß, dass ich auf meinem Din ein bisschen Dunya mag lol.“_ Aber es ist keineswegs so, dass sich alles um Junk Food und Süßigkeiten dreht. Nebenbei trainieren die Männer mit einer umfangreichen Auswahl von Waffen in den Olivenhainen in der Gegend von Atmeh …

Geben mit ihren Geräten an …

Und machen einfach das meiste draus, dass sie jung, unbekümmert und im Jihad sind: „Wir haben Internet, Telefone, Cheeseburger lol Pizzas, Märkte, Schulen für Kinder, Kurse für Erwachsene, Shariah-Gerichte und alles mögliche!“ Wie in jeder Männergruppe können die Scherze manchmal in eiskaltes Mobbing umschlagen. „Schade, dass erwachsene Männer, die in den Jihad kommen, auf dicke Hose machen müssen. Wollahi [bei Gott], du bist lächerlich. Du tust mir leid und ich habe Mitleid mit deiner Frau!“ Ein weiterer Ort, der häufig in sozialen Medien auftaucht, ist eine große Villa auf einem Berg über Atmeh, auf der eine schwarze ISIS-Flagge weht und die das zweite Zuhause der britischen Kämpfer zu sein scheint. Dort machen sie Sport …

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Und chillen im Pool.

Nichts ist leichter, als so ein unverwechselbares Haus anhand von Satellitenbildern ausfindig zu machen—entweder haben die Jihadisten also keine Ahnung von Informationssicherheit oder sie haben einfach keine Angst, vom Regime bombardiert oder von westlichen Geheimdiensten überwacht zu werden.

Jüngste Berichte deuten darauf hin, dass die türkische Regierung aufgrund der westlichen Kritik begonnen hat, die Einreise ausländischer Jihadisten nach Syrien stärker einzuschränken. Die besten Tage des „5-Sterne-Jihad“ dürften also bereits gezählt sein.

Dennoch klingen die Angebote für frische Rekruten so verlockend, wie ein Auftritt inmitten des syrischen Gemetzels nur klingen kann:

„An die Brüder: Worauf wartest du? Es gibt hier eine Menge Waffen, die darauf warten, dass ihr kommt und mit ihnen spielt. Eine Menge Essen, da regelmäßig ein Schaf geschlachtet wird, je nachdem wie viele Brüder da sind. Außerdem eine Menge Frauen, die darauf warten, geheiratet zu werden ;) und, so Gott will, den Nachwuchs der Armee von Imam Mehdi zur Welt zu bringen, die Muslime erwartet Ehre.

„An die Schwestern: Worauf wartet ihr? Die Kleidung eurer Ehemänner muss gewaschen werden! (Scherz) Aber im Ernst, worauf wartet ihr? Ihr könnt euren Schleier tragen, ohne belästigt zu werden, keiner Frau wird hier etwas angetan, und wenn doch, dann erwartet denjenigen eine harte Bestrafung, da die Ehre der Frau auf keinen Fall beschmutzt werden darf. Es gibt eine Menge Mudschahids, die sich verheiraten möchten und die zu den liebevollsten und sanftesten Menschen zählen, denen ich jemals begegnet bin, auch wenn sie sich auf dem Schlachtfeld als Löwen erweisen. Es gibt hier Waisenkinder, die auf Mütter warten, von denen sie so geliebt werden, wie sie von ihren Eltern geliebt worden wären. Kommt in das Land der Ehre. Ihr werdet hier gebraucht.

Wir brauchen nicht nur Männer und Geld. Wir brauchen Gemeinschaften. Wir bauen den Islamischen Staat auf. Schließ dich uns an, da es extrem schwierig ist, über die Grenze zu kommen.“

Im Moment verstummt ein Social-Media-Account nach dem anderen, wahrscheinlich, weil die Inhaber getötet worden sind. Doch einstweilen gibt es noch immer junge Briten, die in Syrien kämpfen und leben und ihre Heldentaten für zu Hause gebliebene neidische Freunde und neugierige Journalisten ins Netz stellen. Der britische Kämpfer Abu Qa’Qaa kommentiert den jüngsten Mediensturm über junge Freiwillige in Syrien auf seinem Tumbler folgendermaßen:

„In Großbritannien werden unsere Bilder in den Zeitungen veröffentlicht. Sie begreifen nicht, dass das noch mehr Leute inspiriert, in den Jihad zu ziehen. Keine Sorge, wir wollen nicht zurückkommen. :)“