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Der unheilige Krieg gegen Afrikas Elefanten

Der somalische al-Qaida-Ableger ist so sehr in den Elfenbeinhandel verwickelt, dass das Abschlachten von Elefanten bereits als „weißer Dschihad“ bezeichnet wird.

Wildschützer im Lewa-Reservat in Kenia. Fotos von Johnnie Shand Kydd

Wenn die Dunkelheit hereinbricht, gehen die bewaffneten Männer auf ihrem Aussichtsposten in die Hocke, damit ihre Silhouetten im Mondlicht nicht zu sehr auffallen. Ausgerüstet mit Infrarotbrillen und Funkgeräten beobachten die Männer in Zweiergruppen das umliegende Buschland. Ihre Anweisungen sind klar: Bei dem ersten Anzeichen eines Übergriffs springen sie in ihre Fahrzeuge, versammeln sich im Gefahrengebiet und nehmen den Kampf gegen die Eindringlinge auf.

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Die nötigen Waffen dazu haben sie. Jeder Mann trägt ein erstklassiges Sturmgewehr, meist das deutsche Heckler & Koch G3. Neben den Brillen verfügen sie über neuestes Kampfgeschirr und eine medizinische Ausrüstung, die Bandagen umfasst, die für das amerikanische Militär entwickelt wurden und bei Schusswunden vor dem Verbluten retten.

Für Außenstehende wirken diese Männer wie die Kampfeinheit einer Armee. In Wirklichkeit sind es jedoch Wildschützer, die die Aufgabe haben, in der Idylle des kenianischen Lewa-Reservats gefährdete Tierarten zu beschützen.

„Wir führen einen Krieg—einen langen Krieg—gegen organisierte Jäger, die Jahr für Jahr und Tag für Tag mehr werden", erzählt mir der Anführer der Männer, Edward Ndiritu. „Die Wilderer haben angefangen, sich jedes Naturschutzgebiet, jeden Park vorzunehmen. Wenn wir nichts dagegen tun, sterben die Tiere."

Der Kampf wird in ganz Afrika mit zunehmender Brutalität geführt. Gegenüber stehen sich diejenigen, die die Wildtiere des Kontinents beschützen wollen, und jene, die sie jagen, um die weltweit unersättliche Nachfrage nach Körperteilen bedrohter Tiere zu stillen.

Im Zentrum steht dabei das Geld—insbesondere die gewaltigen Summen, die mit dem Handel von Elfenbein und Rhinozeroshorn eingestrichen werden können. Mit dem Aufkommen einer wohlhabenden Mittelschicht in Ländern wie China und Vietnam, für die entsprechende Waren noch immer von sozialer und medizinischer Bedeutung sind, wurden die Preise in schwindelerregende Höhen getrieben.

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Elfenbein wird meist zum gleichen Preis wie Gold gehandelt. Rhinozeroshorn ist sogar mehr als doppelt so viel wert. Von diesen Profitmöglichkeiten wurden neue Akteure ins Geschäft der Wilderei gelockt: kriminelle Banden, die sich ansonsten in der Branche der illegalen Drogen, des Menschenhandels und der Waffen betätigen.

Ein Wildhüter präsentiert die Waffen, mit denen die Tiere im Lewa-Reservat vor Wilderern beschützt werden.

Die Lieblingswaffe der Wilderer ist die AK-47. In Uganda wurden vor einiger Zeit angeblich 22 Elefanten von einem Helikopter aus niedergemetzelt. Darüber hinaus wurde von Sprengstoffen und Hohlspitzgeschossen berichtet. Um einen globalen Markt zu beliefern, der Schätzungen zufolge einen Jahresumsatz von bis zu 19 Milliarden Dollar machen soll, werden die effektivsten Mordinstrumente eingesetzt.

Das Geschäft wird jedoch nicht nur von kriminelle Banden betrieben. An der Jagd beteiligt sind auch einige der anrüchigsten paramilitärischen Gruppen. In der Demokratischen Republik Kongo wildert die von Joseph Kony angeführte Lord's Resistance Army. Al Shabaab, der somalische al-Qaida-Ableger, der hinter dem Massaker im Westgate-Einkaufszentrum in Nairobi stand, ist so sehr in das Geschäft verwickelt, dass der Elfenbeinhandel in einer Studie über die Organisation als „weißer Dschihad" bezeichnet wurde.

Die Zahl der abgeschlachteten Tieren steigt noch immer massiv an. Die südafrikanische Regierung hat bekannt gegeben, dass 2003 1.004 Nashörner im Land getötet wurden—2007 waren es lediglich 13. Pro Jahr fallen geschätzte 25.000 Elefanten den Wilderern zum Opfer. Im Durchschnitt wird also alle 20 Minuten ein Elefant getötet.

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In der Nacht vor meinem Ausflug mit Edward Ndiritu und seinen Männern begleitete ich eine andere Einheit von Wildschützern ins Ol-Pejeta-Reservat, das etwa 48 Kilometer vom Lewa-Reservat entfernt ist. Leise bahnten wir uns den Weg durch das Unterholz und prüften, ob am Begrenzungszaun Schäden zu erkennen waren. In den umliegenden Dörfern hatten verdeckte Ermittler von Angriffsplänen der Wilderer berichtetet. Alle waren bereit zum Kampf.

„Im Radio kam ein Bericht darüber, dass Wilderer aktiv sind", erzählte Jackson Kamunya, der Leiter der Ol-Pejeta-Einheit von seinen letzten Einsatz. „Wir haben den Helikopter genommen. Dadurch waren wir vor ihnen vor Ort und und konnten einen Hinterhalt einrichten. Wir konnten sie beobachten, sie waren bewaffnet. Dann fingen alle an zu schießen."

Die ständige Gefahr bedeutet eine enorme Anspannung für die Beteiligten. Paul Nderito ist seit zwei Jahren bewaffneter Wächter im Ol-Pejeta-Reservat. „Ich denke immer, dass ich jeden Tag sterben könnte", erzählte er mir. „In den ersten paar Monaten hatte ich ständig Albträume. Aber wir haben keine andere Wahl. Die Tiere sind unschuldig. Sie wissen nicht, was sie mit sich herumtragen. Sie sind so unschuldig wie Kinder. Deshalb müssen wir sie wie Kinder beschützen."

Ein Elefant, der wegen seines Elfenbeins geschlachtet wurde

Bisher wurde der Kampf gegen die Wilderer durch schwache Gesetze, einem Mangel an effektiven Vollzugsmaßnahmen und unzulänglichen Sanktionen konterkariert. Wenn nicht umgehend etwas unternommen wird, wird es Prognosen zufolge bald nicht mehr genug Nashörner für einen zukunftsfähigen Genpool geben. Elefanten drohen in zwanzig Jahren ausgestorben zu sein. Die Zeit, die uns zum Handeln bleibt, ist knapp. An einem meiner letzten Tage in Ostafrika führte mir ein Beamter der kenianischen Artenschutzbehörde das grausige Werk der Wilderer vor Augen. Er zeigte mir die Überreste eines Elefanten, der um des Elfenbein willens getötet worden war. Der Kadaver war völlig verunstaltet. Um die Stoßzähne aus dem Schädel zu reißen, war der Kopf des Tieres halb abgeschnitten. „Jedes verkaufte Stück Elfenbein bedeutet, dass ein Elefant getötet wurde", sagte er, während wir auf die Überreste eines der faszinierendsten Säugetiere der Welt starrten. „Alleine können wir das nicht aufhalten. Wir brauchen Hilfe." Hoffen wir, dass diese Hilfe nicht mehr lange auf sich warten lässt.

Evgeny Lebedev ist Eigentümer der britischen Tageszeitungen The Independent und London Evening Standard. Die Zeitung hat auch eine Kampagne gegen Elfenbeinhandel. Folge ihm auf Twitter @mrevgenylebedev.