Ich war auf der Compact-Konferenz und es war ekelhaft

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Ich war auf der Compact-Konferenz und es war ekelhaft

Thilo Sarrazin, Elena Misulina und ein Käpt’n Blaubär-Autor kamen auf diesem Event zusammen, was meiner Meinung nach ein homphobes, frauenfeindliches und rassistisches Superschurkentreffen in Leipzig war.

Fotos von Stefan Lauer und Daniel Jakobson

„Für die Zukunft der Familie!" war das Motto der „2. Compact-Konferenz für Souveränität", die an diesem Samstag in Schkeuditz bei Leipzig veranstaltet wurde. Als Redner waren zunächst Peter Scholl-Latour, Eva „denkt endlich mal an die Kinder!" Herman und Thilo Sarrazin angekündigt. Am Ende erschienen weder Scholl-Latour (wegen eines angeblichen kurzfristigen Auslandstermins, möglicherweise in der Demenz, sorry, ich meine, an einem anderen sehr weit entfernten Ort) noch Herman (die Arme hat furchtbare Angst vor den gemeinen Demonstranten, angeblich hatte sie bedrohliche E-Mails bekommen). Sarrazin kam natürlich trotz allem (und nahm vermutlich einen fetten Scheck wieder mit nach Hause. Den kann er ja jetzt unter anderem dafür verwenden, sein Haus neu streichen zu lassen).

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Ansonsten hatte man ein buntes Sammelsurium von europäischen Hass-Predigern eingeladen, Männerrechtlerinnen, Homo-Hasser, Islamphobiker und als doppelte Amaretto-Kirsche auf diesem Horror-Milkshake Elena Misulina und Olga Batalina, die Girlgroup from Hell, die sich verantwortlich für die russischen Anti-Homo-Gesetze zeichnet.

Die Ausschilderung am Hauptbahnhof, die Konferenzteilnehmer auf die andere Seite von Leipzig lotste.

Das Ganze fing am sehr frühen Samstagmorgen an. Am S-Bahnhof wurden Konferenzteilnehmer von Aktivisten empfangen und ihnen wurde freundlich mitgeteilt, dass sich die Anreiseroute zur Konferenz wegen Bauarbeiten geändert hätte. Die Damen und Herren setzten sich kadavergehorsam in die nächste Bahn und fuhren ans andere Ende der Stadt. Vor dem Konferenzzentrum sammelte sich derweil eine Masse von Demonstranten aus Antifa, queerem Widerstand, Schwulen und Lesben, um zu blockieren.

Selbst die Redner mussten durch diese Masse durch, was sich erstmal als schwierig herausstellte, aber dann später durch ein Sonderkommando der Polizei erleichtert wurde, das mit Schlagstöcken, Pfefferspray und Faustschlägen ins Gesicht den Platz räumte. Leider war das noch nicht der Fall, als die russische Delegation ankam. Und tatsächlich wurde Misulina getreten! GETRETEN! Eine Schande, wie Jürgen Elsässer—Chefredakteur des Compact-Magazins, eines retchtspopulistischen Verschwörungsheftchens, und Initiator der Konferenz—nicht müde wurde zu betonen.

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Die russische Delegation muss sich in Pelzen und High Heels den Zugang über die Wiese erkämpfen. Elena Misulina (ganz links, von hinten zu sehen) und Olga Batalina (Mitte, mit blonder Helmfrisur) sowie Natalia Narotchnitskaya (hinten im Pelz).

Die Initiatorin eines der menschenverachtendsten Gesetze, die im letzten Jahr verabschiedet wurden, die mitverantwortlich ist für den Tod und die Folter einer Menge junger Russen und wegen der Kinder aus Familien gerissen werden sollen, wurde gegen das Schienbein getreten. Wirklich eine Schande.

Laut queer.de teilte sie das flugs dem Mutterland über ein extra mitgereistes TV-Team mit. Wanja Kilber von quarteera sagte mir heute morgen, dass dieser angebliche „Angriff auf die Meinungsfreiheit" bereits die große Runde durch das putin-treue russische Fernsehen macht. „In den großen staatlichen Medien wird groß herausposaunt, dass die russische Duma-Abgeordnete Misulina von der aggressiven Homo-Lobby angegriffen wurde." Und ohne sich in die verschwörungstheoretischen Untiefen von Compact zu begeben, könnte man ja fast annehmen, dass der Konferenzort schlau gewählt war.

Béatrice Bourges, die Gründerin von Manif pour tous—der französischen Bewegung gegen die Homo-Ehe. Sie wird sich selbst später mit Gandhi vergleichen und unter tobendem Applaus der 500 bis 600 Anwesenden nach einem Volksaufstand rufen.

Die ganzen „Kämpfer für die Meinungsfreiheit" und ihr williges Publikum mussten ja tatsächlich erstmal durch eine Menschenmenge, um danach ihre krude Thesen zu verbreiten, bzw. sich diese anzuhören. In der Halle war man deswegen um so mehr von sich selbst und der eigenen Mission für das „Gute" überzeugt und man konnte durch dicke Glasscheiben zusehen, wie die Demonstranten von der Polizei weggeprügelt wurden. Einer der Konferenzteilnehmer sagte mit Blick auf die Aktivisten draußen: „Sowas hat man früher Lumpenproletariat genannt."

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Monika Ebelng versucht, sich in Begleitung ihres Mannes den Weg in die Halle zu bahnen. Auf diesem Bild nicht zu sehen: Sie schieben ein Kind im Kinderwagen vor sich her. Ihr Mann wird den Kinderwagen später in der Halle vor dem großen Plakat mit dem Motto der Konferenz, „Für die Zukunft der Familie!", fotografieren.

Jürgen Elsässer hat ebenfalls sehr viele Meinungen oder eher Überzeugungen. Man könnte Elsässer als den Horst Mahler des Publizismus bezeichnen, zwar ohne Holocaustleugnung (Ahmadinedschad allerdings freundschaftlich verbunden), aber immerhin mit genau dem gleichen fliegenden Wechsel vom linksradikalen zum entgegengesetzten politischen Ufer. Jürgen Elsässer weiß Dinge. Es gibt nur seine Wahrheit und alle anderen lügen. Die Mainstream-Medien (ergo alles außer Compact), der Staat.

Jürgen Elsässer weiß, dass die Polizei mit den Demonstranten unter einer Decke steckt, weil sie erst so spät geräumt haben, er weiß, dass die Demonstranten (die, nachdem die Konferenz wegen der Blockade erst eine Stunde später anfangen konnte,  während seiner Begrüßung und der Grußworte der Referierenden gegen die Blechwände der Halle trommeln und seine Worte nicht verständlicher machen) „antidemokratisches Gesindel" und „Querulanten" sind. Sie sind „geschichtsvergessene Idioten", die „Homo-Ehe ist ein Aufstand gegen die Biologie", und er weiß auch, dass die Schwulen froh sein können, dass es ihnen so gut geht.

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Eva Herman spricht aus dem Äther mit sonorem Nachrichtensprecher-Charme.

Während der Konferenz gab es immer wieder Aktionen von Aktivisten, Sarrazin wurde als Rassist bezeichnet, Misulina der Lüge bezichtigt und vielleicht am beeindruckendsten war die Aktion von Wanja, der während der „Diskussion" zwischen Elsässer und den Russinnen mit rotbemalten Händen und Regenbogenflagge nach vorne lief und dabei auf Deutsch und Russisch rief: „Misulina hat das Blut von homosexuellen und transsexuellen Jugendlichen an ihren Händen, die getötet wurden oder Selbstmord begangen haben." Recht hatte er zwar, aber ignoriert wurde er trotzdem. Außer von einer älteren Dame in der Reihe hinter mir, die laut und deutlich sagte: „Das ist doch ein Jude!"

Batalina und Misulina warten auf ihren großen Auftritt in einer „Diskussion" mit Elsässer, bei der es eher darum geht, den beiden Stichworte zu geben, anhand derer sie ihr Weltbild propagieren dürfen.

Wanja wurde von Security-Leuten rauseskortiert und er erzählte mir später, dass diese sich bei ihm entschuldigt haben und ihm versichert, dass sie hier nur arbeiten und nicht hinter den Inhalten der Veranstaltung stehen. Seine Meinung über die gesamte Veranstaltung deckt sich ziemlich genau mit meiner. „Da gab es Sachen, die man sich nicht ausdenken kann. Ich kann mir auch kein Bild davon machen, wer diese Menschen sind. Die Redner hatten ein lückenhaftes Wissen und ein fragmenthaftes Denken." Wir unterhielten uns auch über die bizarren Büchertische, die im Vorraum neben Ständen mit Überlebensnahrung für die Apokalypse stehen: „Hinter allem steht eine Verschwörungstheorie. Aber es gibt keinen gemeinsamen Nenner. Es geht um alles: Russen, Schwule, Juden."

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Aktivisten der Front deutscher Äpfel, mit denen ich mich nach der Konferenz traf, hatten sich auf Wegen eingeschleust, die ich hier nicht weiter erläutern möchte. Vor ihrem Rauswurf während dem absurden Vortrag von Käpt'n Blaubär-Autor Bernhard Lassahn, bei dem es allerdings um Äpfel ging—ein perfekter Anlass für sie, einen ihrer Slogans „Apfelsaft, Apfelsaft gibt der deutschen Jugend Kraft" zu skandieren—, haben sie mehrere bekannte Neonazis im Publikum ausgemacht.

Nachdem ich nun also neun Stunden in einer schlechtbeheizten Halle mit wer weiß wie vielen protofaschistisch angehauchten Idioten verbracht habe (und davon so angeekelt war, dass ich danach erstmal heiß duschen musste), sind das hier meine Highlights eines widerwärtigen Samstags in Schkeuditz:

- „Das ist keine Konferenz gegen Homosexuelle!" (Jürgen Elsässer)

- „Zeitgeschichtlich gesehen haben die Männer das Wahlrecht Sekunden vor den Frauen bekommen." Das Frauenwahlrecht wurde eingeführt, weil die Zeit und die Geschichte reif dafür waren, „nicht weil ein paar Frauen demonstriert haben." (Monika Ebeling, ehemalige Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Goslar)

- Nobelpreise werden ausschließlich an christliche Wissenschaftler vergeben, Das ist ein Beleg dafür, dass Muslime dümmer sind als Christen. (Thilo Sarrazin)

- „Russland ist frei und demokratisch." (Elena Misulina)

- „Die Welt hat sich geändert, außer in Russland." (Elena Misulina)

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- „In Russland gibt es keine Gewalt gegen Homosexuelle." (Elena Misulina)

- In Russland gibt es keine Wahl zwischen verschiedenen Lebensmodellen. (Elena Misulina)

- „Eine Situation wie hier [die Demonstration] wäre in Russland undenkbar." (Elena Misulina, großer Applaus im Publikum)

- „So eine Unordnung wie heute morgen hier [die Demonstration] wäre in Russland undenkbar." (Olga Batalina)

- Die Demonstranten sind verängstigte Menschen. (André Sikojev, laut der Compact-Website der Bevollmächtigte der Russisch-Orthodoxen Kirche (ROK) am Sitz der Bundesregierung und des Deutschen Bundestages)

- Judith Butler, Kinsey und Freud sind schlimmer als Hitler. (André Sikojev)

- Gesetze zum Gender-Mainstreaming sind genauso wie die Nürnberger Rassengesetze. (André Sikojev)

- „Die Mehrheit  wird diskriminiert." (Elena Misulina)

- „Die sexuellen Minderheiten in Deutschland haben nichts zu beklagen." (Olga Batalina)

- Frauen werden nicht unterdrückt. (Monika Ebeling)

- Schwule und Lesben haben doch genug Rechte. (Bernhard Lassahn)

- Die Gleichstellung Homosexueller ist ein „gefährlicher und schädigender Weg für die Zivilisation". (Olga Batalina)

- Feminismus führt zu einer gesellschaftlichen Kastration und die Politik arbeitet an der Entmännlichung der Männer. (Monika Ebeling)

- 5% der Homosexuellen sind genetisch so veranlagt, 95% werden durch Medien und Propaganda dazu gemacht. (Olga Batalina)

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- Gleichgeschlechtliche Paare wollen sich offensichtlich nicht fortpflanzen, sonst würden sie in einer heterosexuellen Beziehung leben. (Bernhard Lassahn)

- In Schweden und Dänemark werden Inzest-Ehen legalisiert. (Olga Batalina)

- Die Frauenquote ist schlecht. Frauenparkplätze auch. (Monika Ebeling)

- Wenn in einem offenen Brief an den Bundestag, der unter anderem von Günter Grass und Martin Walser unterschieben wurde, davon gesprochen wird, dass „gleichgeschlechtliche Liebe […] Liebe wie jede andere auch" sei, dann öffnet das Tür und Tor für alle anderen Formen von Sexualität. Pädophilie, Zoophilie etc. (Bernhard Lassahn)

- „Homopropaganda" sollte in jedem Land verboten werden. (Olga Batalina)

- Studien über Regenbogenfamilien sind wertlos. (Bernhard Lassahn)

- Sex, der nicht der Fortpflanzung dient, ist immer nur das Zweitbeste. (Bernhard Lassahn)

- Pornos sind Propagandafilme gegen Kinder. (Bernhard Lasahn)

- Thilo Sarrazin ist ein Opfer der Medien.

- Thilo Sarrazin hat ein großes Durchhaltevermögen.

- Thilo Sarrazin spricht sehr gerne über sich.

- Zuwanderer sollten zehn Jahre lang keine Transferleistungen bekommen. (Thilo Sarrazin)

- Nichts, was Thilo Sarrazin sagt, hat irgendetwas mit Rassismus zu tun.

- Eva Herman wird bedroht. Vermutlich von Homosexuellen, die sie nicht verstehen, denn:

- Eva Herman ist nicht homophob.

- Aus unerfindlichen Gründen haben die Medien die Konferenz zu einer Homohasser-Veranstaltung heraufstilisiert. (Eva Herman)

- „Die Familienpolitik in Deutschland gleicht der von Margot Honecker." (Eva Herman)

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