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Der Kampf der rumänischen Dorfbewohner gegen den US-Energieriesen Chevron

2010 hatte der US-Energieriese Chevron über 800.000 Hektar rumänisches Land aufgekauft, um mit seiner Fracking-Bohrtechnik Schiefergas zu fördern. Die Einwohner, die es wagen, dagegen zu protestieren, werden von der Polizei schlicht und einfach ins...

Ein Anti-Fracking-Protest in Pungeşti, Rumänien.

2010 hatte der US-Energieriese Chevron über 800.000 Hektar rumänisches Land aufgekauft. Der Plan war, ab Mitte 2013 in den Gegenden der nördlichen Stadt Vaslui und dem südlichen Dobrudscha Schiefergas zu fördern—und zwar mit Hilfe der hoch umstrittenen Fracking-Bohrtechnik. Das Schiefergestein wird dabei durch ein Gemisch aus Wasser und Chemikalien aufgebrochen, sodass das Gas durch die erzeugten Risse hochgepumpt werden kann. Chevron hatte vor, in den nächsten dreißig Jahren gigantische Bohrtürme zu bauen, um die 900.000 Liter Chemikalien in die Erde zu pumpen und eine Menge Geld zu verdienen. Doch rumänische Bauern und Umweltschützer machen diesem Vorhaben seit Oktober einen Strich durch die Rechnung.

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Eines der Hauptargumente gegen das Fracking ist, dass die eingesetzten Chemikalien ins Grundwasser gelangen und dadurch sowohl das Wasser verseuchen, das die Bauern für ihre Ernte brauchen, als auch das Wasser, das du täglich aus dem Wasserhahn trinkst. Außerdem besteht der begründete Verdacht, dass die Sprengungen Erdbeben hervorrufen können. Besonders für die Region von Vaslui sind diese Begleiterscheinungen Grund zur Sorge, da der Boden hier trocken und Frischwasser in ländlichen Gegenden bereits ein seltenes Gut geworden ist.

Direkt nach den ersten Bohrungen in Dobrudscha kam es in der nahe gelegenen Region Galaţi zu Hunderten kleiner Erdbeben. Auch wenn bisher nicht wissenschaftlich bewiesen werden kann, dass Chevrons Bohrarbeiten für die Beben verantwortlich sind, war die Meldung wahrscheinlich nichts, was die Presseabteilung der Firma unbedingt hören wollte.

Diese Umstände führten dazu, dass Mitte Oktober 600 wütende Bauern aus dem Dorf Pungeşti in der Gegend um Vaslui eine Menschenkette bildeten, um Chevrons Bulldozer daran zu hindern, in ihr Gebiet einzudringen.

Der Protest in Pungeşti

Von Anfang an reagierte die Regierung mit Polizeigewalt, zu den Protesten im Oktober schickte sie rund zweihundert Bereitschaftspolizisten. Augenzeugen zufolge mussten fünf ältere Einwohner ins Krankenhaus gebracht werden, nachdem sie von übereifrigen Polizisten verprügelt worden waren.

Der 76-jährige Costică Spiridon wurde eine Art Held der Pungeşti-Bewegung. Als ich ihn im Herbst anrief, wurde er anscheinend gerade intubiert, also versuchte ich es stattdessen bei Ovidiu Tiron—einem Mitglied der Mitte-rechts-Partei Platforma Civica—, um mit ihm über den Protest zu reden.

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„Sie haben Spiridon dazu gebracht, neben seinem Haus ein Zelt aufzubauen“, erzählte er mir in Bezug auf den Zeltplatz, der aufgebaut werden sollte, um den Protest auch nachts fortzuführen. „Ich sitze neben dem Generator, den er gekauft hat. Die Bereitschaftspolizisten, die hier in voller Kampfausrüstung anrücken, versuchen noch immer, ihn zu zerstören.“

Nachdem ich mit Tiron gesprochen habe, rief ich Pater Adrian Ţapu an, der angesichts der Proteste etwas überreagierte: „Spiridon wurde von der Bereitschaftspolizei in den Graben gestoßen“, sagte er. „Die Leute werden von Bulldozern niedergewälzt. Obwohl wir friedlich herumsaßen, fingen die Polizisten an, uns herumzustoßen und zu provozieren. Ich glaube, sie haben einen der Protestanführer getötet.“

Ein Zelt bei dem Protest in Pungeşti

Getötet wurde damals niemand, aber der Verfolgungswahn, der den Protest begleitet, erklärt, wie Pater Tapus überhaupt auf den Gedanken kam. In verschiedenen Facebook-Gruppen der Bewegung wimmelt es von Gerüchten darüber, dass die Polizei gezielt versucht hätte, die anwesenden Rentner niederzumetzeln. Dafür gibt es jedoch keine Beweise. Die rumänische Seite Bârlad Online filmte zwar, wie Polizisten aktiv Bauern jagten, aber Aufzeichnungen davon, wie Rentner von Polizisten mit Schlagstöcken zu Tode geknüppelt werden, gibt es definitiv nicht.

Matei Budeş, ein VIRA-Aktivist, erzählte mir, der Verfolgungswahn sei vom merkwürdigen Verhalten der Polizisten genährt worden: „Sie saßen in einem Krankenwagen, damit die Demonstranten sie nicht kommen sehen“, sagte er. „Es war alles sehr suspekt. Einige [Polizisten] sprachen darüber, wie sie die Demonstranten mit Benzin übergießen sollten, um sie einzuschüchtern. Zum Glück gab es Leute, die gefilmt haben, dadurch konnten sie es nicht durchziehen.“

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Demonstranten beim Solidaritätsmarsch in Bukarest (Foto von Cristian Munteanu)

Ein weiteres Gerücht besagte, dass die Polizisten damals vorhatten, die Protestanten im Schutz der Dunkelheit zu vertreiben. Daraufhin kamen Hunderte Leute aus den umliegenden Städten herbeigeeilt, um die Bauern zu unterstützen.

Ioan Creţu war einer derjenigen, die zur Unterstützung angereist kamen: „Gestern rief mich eine Kollegin an, die [in Pungeşti] protestiert hatte. Sie weinte und sagte, dass sie von den Polizisten herumgestoßen wurde. Um 17 Uhr kam ich zusammen mit vielen anderen aus den Städten Bârlad, Roman, Vaslui und Iaşi dazu. Dadurch hatten die Leute aus Pungeşti moralische Unterstützung. Keiner von uns reagierte mit Gewalt.“
Seit mehreren Monaten erlebt die rumänische Umweltbewegung einen enormen Aufschwung und die Proteste haben sich als wirksam erwiesen. Seit den Demonstrationen im Oktober hatte Chevron die Fracking-Arbeiten in Pungeşti auf Eis gelegt. Doch nun droht eine neue Kehrtwende.

Anfang der Woche wurde beschlossen, dass Chevron die Arbeiten nun doch wieder aufnehmen soll. Daraufhin entstand eine neuen Protestwelle, bei der es zu weiteren Zusammenstößen mit der Polizei kam und Demonstranten festgenommen wurden.

Während die Regierung auf Milliardeneinnahmen hofft und die Abhängigkeit vom russischen Erdgas soweit wie möglich reduzieren will, geht es den Demonstranten nach wie vor um die ökologischen und gesundheitlichen Folgen des Fracking. Es bleibt abzuwarten, ob die Proteste auch diesmal so erfolgreich werden sein wie im Oktober. Denn der Winter kann bekanntlich kalt werden.