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Was ich aus meinem bedauernswerten Verknalltsein gelernt habe

Einen Crush zu haben, ist armselig, aber es hat mich zu dem Menschen gemacht, der ich heute bin.
Illustrationen: Penelope Gazin

Wenn man einen Crush hat, dann hat man ganz furchtbar intensive, aber letzten Endes sinnfreie Gefühle für jemanden, den man kaum kennt. Ich war sehr häufig verknallt. Manchmal war ich so verknallt, dass ich das Gefühl hatte, ganz knapp an einer Geisteskrankheit vorbeizuschrammen. Ich war wie besessen. Ich habe verworrene Wege gefunden, um zu meinen Kursen zu gelangen, nur um einen Blick auf den Jungen erhaschen zu können, in den ich verknallt war.

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Ich habe ihn verfolgt wie ein Löwe eine Gazelle, nur dass ich nie über ihn hergefallen bin. Ich habe meine Freunde dazu gebracht, dort zu Mittag zu essen, wo er mit seinen Freunden aß. Ich habe versucht, seine Gespräche zu belauschen, um herauszufinden, was er am Wochenende gemacht hatte oder ob er in jemanden verknallt war (vorzugsweise natürlich in mich). Im Unterricht habe ich versucht, ihn anzustarren, aber so, dass es nicht aussah, als ob ich ihn anstarren würde. Ich hatte nur einen Wunsch: Dass er diesen Blick erwidern würde. Verknallt zu sein, ist wirklich armselig. So armselig es aber sein mag, es hat mich zu dem Menschen gemacht, der ich heute bin. In guten wie in schlechten Zeiten. Aus dem Verknalltsein habe ich einige traurige Wahrheiten über mich selbst und über das Leben gelernt. Hier ein paar Beispiele.

Anthony

Anthony war der erste Junge, über den ich Fantasien hatte. Ich habe mich fast meine gesamte Grundschulzeit nach ihm verzehrt. Er hatte dichtes, blondes Haar und große, blaue Augen. Für ein von Selbsthass erfülltes, jüdisches Mädchen wie mich waren wir ein Traumpaar.

Den Durchbruch hatten wir in der vierten Klasse. Anthony und ich waren die größten Quasselstrippen in der Klasse. Deshalb setzte uns unsere Lehrerin an einen eigenen Tisch, weit weg von den anderen Kindern. Was als Strafe gedacht war, sollte die schönste Zeit meiner Kindheit werden-und wahrscheinlich auch meines Erwachsenenlebens. Ich saß neben Anthony. Ich dankte Gott dafür, an den ich zu jener Zeit aufrichtig glaubte, weil man mich zwang, drei Mal die Woche zum jüdischen Religionsunterricht zu gehen.

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Abgeschieden saßen wir nebeneinander und wurden Freunde. Eines Tages passierte etwas Bedeutendes während des Unterrichts: Anthony gab mir eine Jar-Jar-Binks-Figur aus einem Happy Meal. Das bedeutete, dass Anthony außerhalb der Schule an mich gedacht hatte und ein Spielzeug, das eigentlich für ihn bestimmt war, für mich bestimmt hatte. Da war es mir dann auch egal, dass es sich um Jar Jar Binks handelte. In diesem Augenblick war Jar Jar Binks die tollste Star Wars-Figur aller Zeiten. In diesem Augenblick liebte ich Jar Jar Binks, weil Jar Jar Binks das Symbol einer neuen Liebe war, die jetzt aufblühen sollte. Wie könnte irgendjemand Jar Jar Binks hassen?

Spulen wir ein paar Wochen vor. Ich spielte in der Mittagspause mit meinen Freundinnen, als Anthony mir auf die Schulter tippte und mich fragte, ob wir uns unter vier Augen unterhalten könnten. Jetzt würde es endlich geschehen. Er war kurz davor, mir seine Liebe zu gestehen, und ich war kurz davor, ihm zu gestehen, dass ich auch in ihn verliebt war. Wir setzten uns auf eine Bank. Ich fragte ihn, worüber er mit mir sprechen wollte. Er fragte: „Weißt du, ob Shirley auf Britney Spears steht?"

Shirley war meine beste Freundin.

Innerlich flippte ich aus. Äußerlich ließ ich mir nichts anmerken. Ich antwortete: „Ja, ich denke schon." Ehrlich gesagt war das eine dämliche Frage. Natürlich fand sie Britney Spears gut. Das war der Anfang der 2000er Jahre und Britney Spears war der größte Popstar überhaupt. Wir waren auch viel zu jung, um eigene Meinungen über Kunst oder Kultur zu haben, die nicht mit dem übereinstimmten, was unsere Lieblingsradio- und -fernsehsender uns vorsetzten. Deshalb mussten wir auch der Überzeugung sein, dass Britney Spears die beste Musik machte, die je geschrieben worden war.

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Er sagte: „Cool. Ich will ihr nämlich eine CD von Britney Spears schenken und sie fragen, ob sie meine feste Freundin sein möchte. Glaubst du, sie sagt ja?"

In diesem Augenblick machte es Klick. Anthony hatte mir das Spielzeug nicht geschenkt, weil er mich mochte. Anthony hatte mir das Spielzeug geschenkt, weil es Jar Jar Binks war. Natürlich wollte er es nicht haben. Statt es einfach wegzuwerfen, dachte er sich: „Wieso gebe ich diese Figur nicht dem menschlichen Äquivalent für Schrott in meinem Leben?" Der Schrott war ich. Aus diesem tragischen Ereignis habe ich viel über die Partnersuche gelernt: Stell keine Mutmaßungen über Männer und ihre Absichten an. Wenn ein Junge dich mag, wird er dir das sehr wahrscheinlich sagen. Ich habe auch gelernt, dass Jar Jar Binks scheiße ist und dass es keinen Gott gibt.

Matt

Rückblickend kann ich sagen, dass ich nicht in den Jungen verknallt war, mit dem ich meinen ersten Kuss hatte. Ich war noch nicht mal in den Jungen verknallt, mit dem ich meine Jungfräulichkeit verloren habe. Sie waren einfach da, als ich beschloss, es endlich hinter mich zu bringen. Als ich meinen ersten Kuss hatte, war ich in Wirklichkeit in einen Jungen namens Matt verknallt. Das war in der siebten Klasse, obwohl ich Matt schon in der sechsten Klasse mochte. Wieso ich Matt so sehr mochte? Nun ja, er trug jeden Tag dasselbe Misfits-T-Shirt zur Schule und sah dem Sänger von Sum 41 ziemlich ähnlich. Das war damals alles, was nötig war, damit ich mich in jemanden verknallte. Meinen ersten Kuss hatte ich mit Shawn, der auf Weezer stand und keinem der Bandmitglieder von Sum 41 ähnlich sah. Zu jener Zeit war Shawn mir peinlich, weil Kinder eben dämlich sind.

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In der siebten Klasse saßen Matt und ich im Englischunterricht nebeneinander. Hinter mir saß ein Junge namens David, der sich die ganze Zeit über mich lustig machte. (Zu jener Zeit hasste ich ihn, aber vor Kurzem ist mir klar geworden, dass er wahrscheinlich in mich verknallt war.) Einmal im Unterricht nannte mich David einen „Dildo". Matt fing an zu lachen, weil Dildos anscheinend irre komisch waren. Ich wusste nicht, was ein Dildo war (wobei ich heutzutage sehr vertraut mit ihnen bin) und dachte, dass er mich einen „Dodo" genannt hatte. Ich antwortete: „Halt die Klappe! Ich bin doch kein blöder, ausgestorbener Vogel!" Für mich hörte sich das damals lustiger an als „Dildo". Ich musste noch viel über Comedy lernen. David und Matt brachen in schallendes Gelächter aus. Matt fragte mich: „Du weißt nicht, was ein Dildo ist, oder?" Um mir weitere Peinlichkeiten zu ersparen, beschloss ich, ehrlich zu sein und zu verneinen. Ich flehte ihn an, mir zu erzählen, was ein Dildo war, aber er wollte nicht. Das war das ausuferndste Gespräch, das ich in der Zeit, die ich in Matt verknallt war, mit ihm geführt habe. Mich hat das bis zum Ende des Schuljahres glücklich gemacht.

Shawn und ich sind heute Freunde auf Facebook. Von seinen Fotos aus zu schließen, hat er eine glückliche Beziehung und trägt gern T-Shirts mit V-Ausschnitt. Matt dagegen ist nicht auf Facebook. Ich habe seine Schwester und seinen Bruder gefunden, ihn aber nicht. Das bedeutet, dass Matt entweder noch cooler geworden ist, als er sowieso schon war, oder dass Matt tot ist.

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Von Matt und Shawn habe ich gelernt, dass ich mich selten von denjenigen angezogen fühle, die sich von mir angezogen fühlen. Ich bin stur, was meine Gefühle für andere angeht und habe wegen dieser Sturheit bestimmt schon viele vielversprechende Gelegenheiten verpasst.

James

James war der erste Typ, in den ich nach der Highschool ernsthaft verknallt war. Ich lernte ihn am Anfang meines zweiten Studienjahres kennen. Wir hatten sofort so eine klischeehafte „Oh, ich finde diesen Film auch toll"-Verbindung. Wir verbrachten fast jeden Tag Zeit miteinander. An einem Wochenende nahm er mich mit in seine Heimatstadt und stellte mich seinen besten Freunden und seine Mutter vor. Wir telefonierten, wenn wir nicht zusammen waren-was ich allgemein selten tue, weil ich der SMS-Generation angehöre. In meinem Kopf waren wir ein Paar, nur eben ohne den körperlichen Teil, der ja das Rückgrat einer Beziehung bildet.

Frustriert von meiner rückgratlosen Beziehung beschloss ich, James zur Rede zu stellen. Zu meiner Überraschung war er überrascht, dass ich den Eindruck hatte, wir hätten romantische Gefühle füreinander. „Wir sind doch nur Freunde", sagte er. Er fragte mich auch, weshalb ich den Eindruck hätte, dass er etwas für mich empfinden würde. Ich erwähnte den Besuch bei seiner Mutter. Anscheinend war es aber verrückt anzunehmen, dass das irgendetwas zu bedeuten hatte. Er stand nicht auf mich. Ich war natürlich enttäuscht, aber ich verhielt mich reif, vergrub meine Traurigkeit ganz tief in mir drin und tat so, als ob alles in Ordnung wäre. Unsere Freundschaft führten wir fort, als ob nichts gewesen wäre.

James und ich hatten im darauffolgenden Jahr tatsächlich Sex. Am Valentinstag. Nachdem wir uns zusammen den Film Kids angeschaut hatten. Ja, es ist wahr, wir hatten Sex, nachdem wir uns Kids angesehen hatten. So sehr mochte ich ihn. Er empfand immer noch nichts für mich, aber er wollte mit mir schlafen, nachdem wir Kids gesehen hatten. Wenn ihr jetzt glaubt, dass es nicht trauriger werden könnte, dann muss ich euch sagen, dass das vermutlich trotzdem der romantischste Valentinstag war, den ich je erlebt habe.

Dank James habe ich gelernt, dass ich denselben Fehler gern zweimal mache-und wahrscheinlich nicht damit aufhören werde, meine Fehler zu wiederholen. Ich weiß nicht, ob es euch aufgefallen ist, aber dieser Vorfall war so ziemlich das Gleiche, was auch mit Anthony passiert ist. Nur, dass diesmal Sex im Spiel war und die Mutter von James die Rolle von Jar Jar Binks einnahm. Na ja, zumindest kann ich mir sicher sein, dass ich mir nie wieder Kids ansehen werde.

So schmerzhaft es auch sein kann, verknallt zu sein, so wichtig ist es doch. Und auch unausweichlich. Du kannst dich nicht davon abbringen, Gefühle für andere zu entwickeln. Wenn du es könntest, wärst du wahrscheinlich ein Serienmörder. Oder Banker. Ich arbeite daran, besser darin zu werden. In den vergangenen Jahren habe ich mir Mühe gegeben, direkt zu sein und meine Gefühle von Anfang an mitzuteilen. Ich habe auch richtige Dates. Dates, bei denen beide sagen: „Lass uns zusammen ausgehen." Nicht: „Lass uns rumhängen" oder „Lass uns etwas trinken gehen". Diese uneindeutigen Aussagen haben mir schon oft genug den Schlaf geraubt. Ich bin es leid, die 38 verschiedenen Bedeutungen von „rumhängen" auseinanderzuklamüsern.

Vielleicht werde ich mich wieder in einen Anthony, Matt oder James verknallen. Wie ich vorher schon erwähnt habe, lerne ich nicht aus meinen Fehlern. Zumindest bin ich mir ihrer inzwischen aber bewusst, während ich sie begehe. Das hilft ein bisschen, wenn wieder mal alles in sich zusammenfällt. Ich bin inzwischen auch viel offener für die Shawns in meinem Leben. Ab und an kommt auch etwas Gutes dabei heraus. Das ist doch schon ein Fortschritt, oder? Ich hatte zwar immer noch keine Beziehung, die länger als sechs Monate dauerte, aber ich arbeite daran. Babyschritte, Alison, kleine Babyschritte. Nun gut, vielleicht krabbelt dieses Baby noch, vielleicht kann es noch gar nicht laufen. Und was zur Hölle soll ich überhaupt mit einem Baby anfangen? Aber diese Frage beantworte ich ein anderes Mal.