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Jeden Tag 4/20

Ich war in Wiens ,erstem Second Hand Grow-Shop‘

„Kiffen ist zwar nicht harmlos, wie die meisten Aktivisten behaupten, aber gescheiter als Saufen ist es bestimmt.“

Eine Armee-Stützpunkt zum Abfangen von Außerirdischen? Nein. Wiens erster Second Hand Grow-Shop. Alle Fotos: VICE Media

Vor ein paar Tagen hat in der Oppelgasse 2 Wiens „erster Second Hand Grow-Shop“, 12grow.at eröffnet. Als straßenkundiger Meidlinger musste ich mir schon vor der offiziellen Eröffnung  ein Bild davon machen, wer sich da jetzt in meinem Bezirk breit macht—no pun intended. In der Gegend, wo sich Meidling und Margareten treffen, um die Arschritze Wiens zu bilden (wer dort war, weiß wovon ich rede) befindet sich die Oppelgasse. Dort angekommen fand ich ein gewöhnliches Wohnhaus vor, wobei an der obersten Stelle der Gegensprechanlage der Name „FRIEDE“ in Großbuchstaben stand. Was für ein cleverer Weg, in den Grow-Shop zu kommen, dachte ich mir. Falsch gedacht, mir öffnete eine kleine Frau im Stiegenhaus die Tür und ich fragte sie in meiner Verwirrung auch noch, ob sie denn was über einen Second Hand Grow-Shop weiß.

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Mittlerweile findet man den Zusatz „Eingang Schallergasse“ auch auf dem Flyer, Frau Friede ist also in Zukunft hoffentlich vor Belästigung durch neugierige Stoner sicher, die eigentlich nur in den Grow-Shop wollen.

Im Shop angekommen traf ich wie ausgemacht auf den Unternehmer Anton Fellinger, der gerade ordentlich beschäftigt war, die Bude auf Vordermann zu bringen. In ein paar Tagen den Zustand des Geschäftes von „absolute Baustelle“ auf „herzeigbarer Laden“ zu ändern glich einem Ding der Unmöglichkeit, aber der Laden glänzt sowieso durch einen ganz eigenen Charme, für den Anton und Philipp, der später auch im Geschäft war, verantwortlich sind.

Philipp (links) und Anton im unfertigen Chill Out-Bereich

Der Verkauf von Grow-Ware aus zweiter Hand ist eine Marktlücke in der Grow-Community. „Die Leute kaufen sich Geräte, bauen ein, zwei Mal an, ob das jetzt Paradeiser oder Gurkerln sind, und dann kommen sie drauf, dass ihnen das jetzt zu viel Arbeit ist, oder man doch keine Lust auf das Ganze hat. Dann hat man sich Equipment für mehrere tausend Euro gekauft, und kann es für nichts anderes verwenden und im Endeffekt landet das dann im Keller“, so Philipp. Die Idee dazu hatten Philipp und seine bessere Hälfte Inanna bereits 2009, wo sie auf der Cultiva-Hanfmesse Kontakte zur Grow-Branche geknüpft haben und feststellten, wieviel Gebrachtware im Müll landet weil es keinen Abnehmer für Ware aus zweiter Hand gibt.

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Laut den zwei Betreibern von Wiens erstem Second Hand Grow-Shop gab es früher zwar auch schon eine kleine Tausch-Community auf willhaben.at, die meisten haben aber doch Bedenken und wollen nicht, dass man das Gesicht zu einem Grow-Zelt kennt.

Hier hat man auch die Nische für 12grow.at gefunden, denn der Service ist 100 Prozent anonym und diskret—die Geschäfte werden mit einem Losungswort, Datum und „eigenem Kraxerl“ registriert. „Man muss ja auch bedenken, dass man bei uns ein Starterset statt für mehrere Tausend Euro bereits um 600 Euro bekommt. Der Gedanke ist ja auch schlicht und einfach, dass man einander hilft“.

das Autopot-Bewässerungssystem

Bei der Bewerbung von 12grow.at setzen die zwei auf Mundpropaganda: Schon vor der ofiziellen Eröffnung sind einige Leute in den Shop gekommen und so hat sich bis jetzt einiges an gebrachter Ware zusammengetragen. Wien hat ohnehin eine ziemlich große Grower-Gemeinde, so Anton. Viele Kunden werden auch aus anderen Grow-Shops in die Oppelgasse geschickt. Das übliche Konkurrenzdenken gibt es in diesem Gewerbe kaum: Viele sehen den Shop als Ergänzung zum bereits bestehenden Angebot, und haben daher auch kein Problem, ihre Kunden auf den Second Hand Grow-Shop zu verweisen.

Ein wesentliches Merkmal unterscheidet das Geschäft jedoch von den gängigen Grow-Shops: Weder auf dem Flyer, noch im Geschäftslogo oder sonstwo findet man die branchentypisch plakativen Marihuana-Blätter, die wohl verwendet werden, um neugierige Teenager zu ködern, auch ein Bild von Bob Marley konnte ich nirgends finden.

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Diese Unterscheidung ist den beiden wichtig: „Wir sind Lampen- und Elektrohändler, keine Grasdealer“—bei seiner Arbeitszeit in einem bekannten Grow-Shop ist Philipp öfter von zwielichtigen Kunden gefragt worden, ob er denn nicht ein bisschen „privaten Vorrat“ hätte. Davon wollen sich die zwei distanzieren und für Klarheit sorgen—wer den Unterschied zwischen einem Grow-Shop und einem Coffee-Shop nicht kennt, wird hier sachlich und schonend aufgeklärt. Marihuana-Samen werden auf Bestellung erhältlich sein, Stecklinge jedoch definitiv nicht.

Jede Menge Pflanzenschutzmittel

Überhaupt ist die Bewusstseinsbildung der Materie gegenüber ein wichtiges Anliegen der Zwei. Immerhin haben „Minenarbeiter irgendwo tagelang geschuftet, um der Erde Ressourcen zu entnehmen, die bei uns dann im Keller versauern—Sachen immer neu kaufen und dann wegwerfen ist DER Blödsinn schlechthin“, so Philipp. Besonders bei der sicheren Handhabung von Gebrauchtware ist eine richtige und ordentliche Beratung wichtig, um Unfälle, die zu Schlagzeilen wie „Nachbar rief Feuerwehr—Riesenplantage in Keller entdeckt“ führen, zu vermeiden. Auch der Austausch von Lampen oder das Servicieren von Aktivkohlefiltern steht auf dem Programm.

Dass sich an der gesetzlichen Lage zum Vertrieb und Besitz von Cannabis noch einiges ändern wird, ist laut Anton nur eine Frage der Zeit. Trotzdem glaubt er nicht, dass Alkohol und Marihuana gleichzeitig legal erhältlich sein werden. „Man wird die Liedtexte jetzt nicht plötzlich von der roten Nase auf die roten Augen umdichten. Ich bin für eine medizinische Freigabe, und glaube, dass sich in den nächsten Jahren was ändern wird. Der internationale Trend ist ja bereits da. Kiffen ist zwar nicht harmlos, wie die meisten Aktivisten behaupten, aber gescheiter als Saufen ist es bestimmt. Auf der anderen Seite will der Gesetzgeber einfach verhindern, dass man sozial abgleitet, was ja auch eine legitime Forderung ist“.

Für die Zukunft wünschen sich die Beiden einen rücksichtsvolleren Umgang mit der Umwelt und den verwendeten Geräten. „LED-Technologie und Sonnenlichteinspiegelung sind zwar Technologien von übermorgen, aber über Quecksilberdampflampen und Atomkraftwerke sollten wir noch einmal nachdenken, das kann’s nämlich nicht sein“, sagt Anton.

Wenn ihr auch einmal im stillen Kämmerchen Paradeiser oder Gurkerln anbauen und gleichzeitig ein bisschen was für die Umwelt tun wollt, oder einfach euer altes Equipment loswerden wollt, dann schaut doch einfach im ersten Second Hand Grow-Shop Wiens in der Oppelgasse 2 vorbei und lasst euch von Anton und Philipps Hippie-Charme verzaubern!

Züchtet mit Adrian Gurkerln auf Twitter: @doktorSanchez