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Cosmo Wright bezahlt seine Miete damit, 'Zelda' sehr, sehr schnell zu spielen

Wir haben mit einem Pro-Gamer gesprochen, der eine ganze Karriere auf „Ocarina of Time"-Speedruns aufgebaut hat.

Als sein Avatar kurz davor ist, sich in einen tödlichen Kampf zu begeben, bricht bei Cosmo Wright die Panik aus. Der blasse, androgyne 25-Jährige mit undefinierbarer Frisur könnte fast selbst als Link durchgehen, der Held aus  Zelda, eine elfenhafte Figur, die der professioneller Spieler acht Stunden am Tag durch die Welt des Videospiels führt. Wright minimiert das Chat-Fenster bei Twitch, der Live-Streaming-Videoplattform, die ihn sponsort. Er will nicht, dass die 7000 Menschen, die ihm zusehen, ihn von seiner Aufgabe ablenken:  Ocarina of Time so schnell wie möglich durchzuspielen.

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Wright ist mitten in einem Speedrun, eine ziemlich bekannten Sache in der Welt des Gamings, bei der ein Spieler ein Spiel so schnell wie möglich durchzuspielen versucht. Über einen Zeitraum von fast zehn Jahren hat er 1.200 Mal versucht, an diesen Punkt zu kommen, und weiß, dass es locker weitere 1200 Durchläufe dauern könnte, bis er es wieder schafft. „Vor dem Kampf mit Ganon habe ich die meiste Zeit damit zugebracht, den Infinite-Sword-Glitch immer und immer wieder zu üben und mich zu entspannen, um mich vollständig konzentrieren zu können", erklärte Wright später in einem YouTube-Kommentar, der über 450.000 aufgerufen wurde.

Der Infinite-Sword-Glitch, in der Speedrunning-Community auch als ISG bekannt, ist nur einer von über 300 Glitches, die eingefleischte Fans von Ocarina of Time innerhalb eines Jahrzehnts intensiven Spielens entdeckt haben. Er ist auch das Werkzeug, das es Wright ermöglichte, im Juli diesen Jahres die dutzenden Stunden, die ein Durchlauf des Spiels sonst in Anspruch nehmen würde, auf 18 Minuten und 10 Sekunden zu reduzieren. Als nach seinem atemberaubenden Speedrun der Abspann lief, fing Wright an zu Lachen und musste gegen seine Tränen ankämpfen.

Ocarina of Time hat sich seit 1998 11 Millionen Mal verkauft. Es ist eines der beliebtesten Spiele überhaupt. Doch jetzt, 16 Jahre später, verdient Wright seinen Lebensunterhalt damit, die Programmierfehler aufzudecken. Obwohl er mir nicht verraten wollte, wie viel er genau verdient, sagte er mir zumindest, dass es genug sei, um seine Wohnung in Chicago zu finanzieren. Im November allerdings könnte ein 24-jähriger Schwede namens Joel Westerberg den bisherigen König stürzen und der nächste werden, der aus einer Kindheitsleidenschaft eine Karriere macht.

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Es gibt ungefähr 50 Menschen weltweit—von denen die Mehrheit männlich, zwischen 20 und 30 Jahre alt und weiß ist—die Ocarina of Time auf höchstem Niveau spielen. Sie treffen sich auf Streaming-Seiten wie Twitch und SpeedRunsLive, oder in Foren auf ZeldaSpeedRuns.com. Cosmos Interesse für das Spiel flammte 2003 wieder auf, als es für den GameCube neu veröffentlicht wurde. Zwei Jahre später stolperte er über Speed-Demo-Foren, die den Anfang der Speedrunning-Community markierten. „Ich glaube, ein Typ aus Finnland namens Kazooie hat damit angefangen", erklärt Wright. „Er hat herausgefunden, wie man vorzeitig in den Schattentempel gelangen oder das Requiem der Geister schon als Kind bekommen konnte. Er hat das Spiel also nicht in der vorgegebenen Reihenfolge gespielt."

Cosmo Wrights berühmt-berüchtigter Ocarina of Time-Speedrun

Zu dieser Zeit brachte Wright sich Tricks bei, indem er versuchte, Bilder nachzustellen, die er in den Foren gefunden hatte. Nachdem er herausgefunden hatte, wie er bestimmte Programmierfehler, die die Community gefunden hatte, ausnutzen konnte, gelang es ihm, Link durch Wände gehen zu lassen oder ihn in Ecken zu manövrieren, die normalerweise nicht zugänglich waren. Manchmal schaffte er es, das Spiel so auszutricksen, dass es Link durch Zeit und Raum transportierte. Heutzutage verfügen Speedrunner über Technologie, die das Rätselraten überflüssig macht. Es gibt Software, die Links genaue Koordinaten bestimmen kann, wenn er Tricks vollführt, was bedeutet, dass man bestimmte Manöver einfach aus dem Arbeitsspeicher abrufen kann. „Erst löst du das Rätsel und dann übst du", sagt Wright.

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Eben weil man nicht mehr rätselraten muss, sehen viele die Speedrunning-Community kritisch. Sie behaupten, man würde den Spielen so den Spaß und ihr Geheimnis nehmen. Dem widersprechen allerdings mehrere Millionen Menschen, die Gaming als legitimen sportlichen Wettkampf sehen. Als Twitch 2012 online ging, konnten Spieler live auf der Seite streamen und—basierend auf ihrer Beliebtheit—um Sponsoren konkurrieren. Die Seite eines gesponserten Spielers hatte eine Subscription-Option und auch Werbung wurde darauf geschaltet. Weil Amazon befürchtete, dass Twitch vom Rivalen YouTube übernommen würde, kauften sie die Seite im August für 970 Millionen Dollar.

Zur gleichen Zeit fing Joel Westerberg, ein zurückhaltender Schwede, der Jesse Bradford entfernt ähnlich sieht, mit Speedrunning und Streaming an. Er fand Wrights Video online und fühlte sich so herausgefordert, dass er sich einen strengen Trainingsplan zurecht legte. Von 8:00 Uhr bis 15:00 Uhr besucht er die medizinische Hochschule, von 16:00 Uhr bis Mitternacht spielt er Zelda.

„Ich mache eigentlich nichts anderes mehr", erzählte er mir. „Ich schlafe auch nicht viel. Habe ich nie." Er führt eine Fernbeziehung und sieht seine Freundin ungefähr einmal im Monat. Öfter würde ihn auch überfordern, weil er dann seinen Streaming-Verpflichtungen nicht nachkommen könnte. „Ich habe einen sehr strengen Zeitplan. Wenn ich irgendetwas neben der Schule oder dem Streaming machen muss, muss ich das weit im Voraus wissen. Ich habe schon Freunde verloren, weil sie das nicht akzeptieren konnten."

Obwohl Wright fast zehn Jahre lang trainiert hat, ist dieser engagierte Newcomer sein größter Konkurrent. Er ist nur noch zehn Sekunden von Wrights Weltrekord entfernt. Am 27. November werden sich die beiden in Schweden live in einen Rennen messen. Wenn Westerberg den Titel gewinnt—oder Wright einfach nur schlagen kann—macht er damit einen großen Schritt in Richtung Vollzeit-Streamer. Mehr als die Werbeeinnahmen motiviert Westerberg aber der Kick.

„So intensiv habe ich noch nie irgendetwas erlebt", sagt Westerberg. „Manchmal erfüllt mich dieser Rausch so sehr, dass ich mich kaum noch konzentrieren kann, weil ich weiß, dass ich möglicherweise so schnell keine Chance mehr bekomme. Aber wenn ich es dann geschafft habe, fühle ich mich wie ein Gott."